Reflexionen 75 Jahre danach.
[Gastbeitrag] Meine schon in der DDR entstandene latente Übersättigung mit diversen Aufarbeitungen des Faschismus überwindend, blieb ich gestern an einer TV-Dokumentation hängen, die eine israelische Klasse zeigte, die, offenbar einem aufgelegten Programm folgend, auf Friedhöfen und in Konzentrationslagern nach Spuren ihrer Familienangehörigen suchte. Anders als ich es von meinen frühen Besuchen in Buchenwald in Erinnerung habe, war den jungen Menschen die Betroffenheit anzusehen, ein unbedingtes Bedürfnis nach Verstehen zu spüren. Es wurden Gebete gesprochen, gesungen, getanzt, Videotagebücher für zuhause aufgezeichnet.
Deutscher zu sein heißt nach wie vor, ob man will oder nicht, jeden Tag mit dem Holocaust konfrontiert zu werden. In der Schule beginnend, später in TV-Reportagen, Radiosendungen, Museen, Gedenkstätten, mit Gedenktagen, Mahnmalen, Büchern und Stolpersteinen wird versucht die Zeit anzuhalten, von der man ansonsten hofft, dass sie Wunden heilen möge. Das Verwischen der Grenzen von Erinnern, Mahnen und der omnipräsenten, nie enden dürfenden Schuld führte, bei mir jedenfalls, mit der Zeit zur inneren Abkehr. Ich kann nicht wie Claudia Roth für mich in Anspruch nehmen, dass Auschwitz Teil meiner Biografie gewesen wäre. Bei mir ist bestenfalls das Erinnern an Auschwitz Teil der Biografie. Aber selbst dieses Erinnern lässt sich nicht einprügeln.
Auf die Frage „Wie konnte es dazu kommen?“ hat es Millionen Antwortversuche gegeben. Kluge und weniger kluge. Die Frage „Wie gehen wir damit um?“ scheint nun beantwortet. Wir distanzieren uns. Wir wollen endlich entkommen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu entkommen. Die billigste ist zweifellos, den Holocaust zu leugnen. Oder auch sein Deutschsein. Man kann an den Opferzahlen herumdeuten oder das dritte Reich als Teufelswerk abhaken. Die beliebteste und dankbarste Form des Weglaufens ist zweifellos, sich mit Betroffenheitsritualen an die Spitze der Mahner und Wissenden zu setzen, mit erhobenem Zeigefinger und simulierter Katharsis seine eigene Distanz zum Bösen zu demonstrieren. Hierzu muss freilich das Böse am Leben gehalten werden. Gestalt annehmen. Es muss personifiziert und Gruppen zugeteilt werden. Gruppen, die sich als Feindbild eignen und denen anzugehören man weit von sich weisen kann. Die Distanzierung vom asozialen Verbrechen ist ein menschlicher Reflex. Aber vor Auschwitz sollte man nicht davonlaufen. Sondern lernen.
Der Schoß ist fruchtbar noch? Zweifellos. Aber es besteht erhebliche Uneinigkeit, wo dieser zu finden ist. Wer glaubt, ihn im Parteienspektrum oder geografisch oder anhand des Einkommens definieren zu können, hat nicht viel verstanden. Warum fällt es eigentlich so schwer zu erkennen, dass sich die Welt nicht einfach in Destruktivität rechts und Barmherzigkeit links aufteilen lässt? Bereitet es Schmerzen, zu erkennen, dass die menschliche, also auch die eigene Psyche alle Voraussetzungen bietet, zum blinden Gewalttäter zu werden? Warum widmen wir uns nicht endlich diesem unheilvollen Mix an Voraussetzungen, der immer wieder in der Geschichte in die Katastrophe geführt hat? Im Diskurs. Im Miteinander?
Klassenfahrt nach Auschwitz – Deutsche Jugendliche und der Holocaust (Doku)
Der Holocaust lässt sich eben nicht einfach einer politischen Bewegung zuordnen. Nationalsozialisten waren Sozialisten und erst durch sie entwickelte sich später das Schreckensbild des heute gern rechts verorteten Faschismus. Ich weiß, es gibt eilfertige Historiker, die nachweisen, dass Sozialisten in diesem Fall eigentlich gar keine waren. Diesen reichlich willkürlichen Deutungsversuchen kann man folgen oder auch nicht. Fakt ist, der Antisemitismus, der im Holocaust mündete, wurde von einer riesigen, quer durch alle politischen, religiösen und bürgerlichen Lager reichenden Mehrheit getragen. Und auch nicht nur in Deutschland. Er war nicht vordergründig die logische Konsequenz eines politischen Konzepts, sondern das Ergebnis von sich überlagernden massenpsychologischen Effekten. Darunter die nach gescheiterter Expansionspolitik und Wirtschaftskrise eintretende Unzufriedenheit, die kolossale völkische Selbstüberhöhung, verbunden mit nach wie vor virulenten Weltrettungsphantasien, irrationale, von Manipulationen verstärkte Feindbilder, die Ausgrenzung und Verfolgung ganzer Bevölkerungsgruppen, die sehr deutsche, von Feigheit, Gleichgültigkeit und Unterwürfigkeit geprägte Schwarmintelligenz und schließlich der Ausbruch einer archaischen Freude am Vernichten. Eine Explosion wie wir sie in schlechter Regelmäßigkeit in verschiedenen Regionen der Welt immer wieder sehen. Von Deutschen mit deutscher Gründlichkeit auf eine perverse Art perfektioniert.
Viele dieser Phänomene gehören längst wieder zum Alltag. Sie werden politisiert, instrumentalisiert und zum Anlass genommen, um erneut Gruppen auszugrenzen, zu bedrohen, Menschen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen und mit Gewalt zu überziehen. Wir lernen nicht. Wir haben nicht verstanden was Verantwortung bedeutet. Wir sehen die Vorzeichen wieder nicht. Nein, wir brauchen keine einfachen Schuldzuweisungen, keine erstarrende Erinnerungskultur, keinen Schuldkult, keine Denkverbote, keine laut zur Schau gestellten Distanzierungen.
Was Not tut ist eine stille, eine demütige, eine selbstbewusste Annäherung. Ein Raum des Nach-Denkens, in dem jeder mit seiner Biografie seinen Platz finden kann.
Links:
Rolle und soziologische Relevanz des Sündenbocks: “Die soziale Rolle des Sündenbocks lässt sich auch einer ganzen Gruppe von Menschen per Attribution zuweisen. Sind Menschen frustriert oder unglücklich, richten sie ihre Aggression oft auf Personen oder Gruppen, die unbeliebt, leicht identifizierbar und machtlos sind. – Dies kann auch mittels einer durch Machteliten verbreiteten Ideologie geschehen, die ein Feindbild bewusst entwickelt mit dem Ziel, bestimmte soziale, ethnische oder politische Minderheiten zum Sündenbock für aktuelle Krisenerscheinungen zu machen oder von der eigenen mangelnden oder schwindenden Legitimation abzulenken (siehe zum Beispiel Holocaust). Eine solche Projektion auf einen Sündenbock kann für die Bevölkerungsmehrheit eine identitätsstiftende Funktion bekommen.” (Wikipedia)
“Der Sündenbock hat ausgedient”: “Der Sündenbock hat tatsächlich ausgedient, doch die alten Muster wirken unterbewußt und unbewältigt weiter. Und das ist fatal. Sehen Sie zum Beispiel, in den letzten 50 Jahren war das deutsche Volk so ein Sündenbock. Die Deutschen benahmen sich – moralisch, materiell – vorbildlich und sehnten sich nach Freispruch von der Schuld. Das ist niemals in Gänze anerkannt worden, ihre Schuld konnten sie damit nicht tilgen. Die anderen Nationen hielten diese Form der Buße für selbstverständlich, weil die Deutschen bestraft werden mußten. – Wahrscheinlich ist dies sehr schädlich für die nächsten deutschen Generationen. Ich behaupte weiß Gott nicht, daß Deutschland unschuldig war, aber die Nachkriegsjahrgänge litten unschuldig darunter, daß ihr Land für seine Sünden zahlen mußte. […] Es ist ein vertracktes Problem. Da die Deutschen zu so schlimmen Sündenböcken gemacht worden sind, wollen sie nun womöglich auch auf zu schlimme Weise davon loskommen. Dann, das fürchte ich am meisten, sind wir wieder in der Welt der Rache. Die Deutschen sind manisch-depressiv, entweder führen sie sich wie die Sieger auf oder fühlen sich als Verlierer.” (René Girard, Anthropologe, 1997 im Spiegel)
“Entmenschlichung oder Dehumanisierung ist die explizite oder implizite Wahrnehmung oder Bezeichnung von Menschen oder Menschengruppen als nicht menschlich, untermenschlich oder auf negative Weise übermenschlich (etwa als Monster). Menschen wird damit also ihre Menschlichkeit (Humanität) bzw. ihre menschliche Qualität abgesprochen.” (Menschenbild: Entmenschlichung, Wikipedia)
‘Die zweite Lebenslüge der Bundesrepublik: Wir sind wieder “normal” geworden’ – Aufsatz von Jürgen Habermas 1992 in der (Zeit) [E]
‘Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken’ – Denkwürdige Rede von Martin Walser [E], Paulskirche Frankfurt, 1998
Ich fahre nach Auschwitz – Doku NDR (Youtube)
Fluchten, Instrumentalisierung, Aufarbeitung (Schelmenstreich)
Motive & Ergebnisse der Instumentalisierung (Schelmenstreich)
War Adolf Hitler ein Linker? (taz)
Autor: Rocco Burggraf [Gastbeitrag]
Bilder:
KZ Auschwitz, Einfahrt Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 DE]
Selection on the ramp at Auschwitz-Birkenau, 1944 (Auschwitz Album), Unknown. Several sources believe the photographer to have been Ernst Hoffmann or Bernhard Walter of the SS [Public domain]
The Scapegoat, William Holman Hunt [Public domain]
Habnix.
Das ist richtig wie Sie das sehen.
Nur wird alles unternommen um eine
Unabhängigkeit des Einzelnen zu verhindern!
Eben genau von diesen Profitören , Nutzniesern und
Handlangern dieses Systems, die man mit den nötigen Mitteln
und Geld ausgestattet hat, das Sie auch folgsam den Befehlen der
Oberen Kaste folgen. Mit “Verordnungen ‚Verboten und den dafür vorgesehenen
Gesetzen”! Eine Totale Unabhängigkeit wird wohl unter diesen Voraussetzungen ein
schier unmögliches Unterfangen sein!
Bestenfalls kann man das in einen sehr begrenzten Rahmen und sehr beengten Spielraum bewerkstelligen! Ob man sich dabei aber Freier fühlen kann, bleibt
Jeden selber überlassen!
Die harte Wahrheit und nichts als die harte Wahrheit
Um dafür zu sorgen das es nicht mehr passiert, reicht ein ewiges erinnern nicht. Man muss dafür auch
die Ursache kennen und die Ursache dessen ist die Lohnabhängigkeit.
Ein Übel unserer Zeit ist die Lohnabhängigkeit, denn die hält stets einen Adolf Hitler bereit.
Nicht die Regierung muss das Volk regieren, sondern das Volk die Regierung regieren.
Die beste Demo gegen Kernkraft ist, wenn man sich den Strom mit Solar oder/und Wind, wenn möglich selbst macht. Der beste Widerstand gegen eine Diktatur ist es, wenn man sich so viel wie möglich das nötige zum Leben selbst macht.
Der Lohnabhängige Beamte ist die Leibwache des System, so wie es früher die Leibwache für den König gab.
Je mehr jemand verdient, um so mehr Anwälte kann er sich leisten, um sich aus der Verantwortung gegen über 80 Millionen, oder noch mehr Menschen zu kaufen und das obwohl sehr viele behaupten, sie müssten so viel verdienen wegen der Verantwortung die sie haben. Der Anwalt steht aber an stelle des Schwertes und es ist gerade so das jemand der viel verdient, dann auch viele Waffen(Anwälte) zu seinem Ego hält. Die Anwälte bewahren demjenigen der viel Geld verdient Verantwortung zu übernehmen.
Wir müssen lernen das zu akzeptieren und uns mit Selbstversorgung so gut es geht zu wappnen.
Ob das was hilft-Priorität unserer Herrscher ist doch die Zerschlagung der Familie
Vergessen darf man das nicht-mahnen darf man auch aber eine Kollektivschuld lehne ich ab.Schuld kann man auch nicht vererben.Ich warte schon länger auf Mahnmale für die Indianer,für die völkerrechtswidrigen Kriege der westlichen Wertegemeinschaft,der englischen Kolonialherrschaft ( werden da eigentlich noch die Königin Elisabeth und ihre Verwandtschaft für verantwortlich gemacht?Meiner Wahrnehmung nach nicht.Auch kein amerikanischer Staatsbürger ist immer noch unschuldig.Mit grossem Tamtam wurde aber unsere Kolonialzeit in Namibia wieder in die Erinnerung gebracht.Und NAZI-DEUTSCHLAND ist immer Thema in allen TV Sendungen.Der Massenmord in Dresden die Täterschaft an den Deutschen Vertriebenen und in den Gefangenenlagern.Das wird ja alles schön ausgeblendet.Und die Zionisten haben ihren Holocaust vor der Haustür.Denn was sie mit den Palästinensern machen ist das Gleiche.Nur in kleinerem Rahmen—wenn schon dann gleiches Recht für Alle!!!!!!!!!!!!!!
Wenn man über Jahrzehnte ständig dafür sorgt, das der
Sünder Immer und Ewig in gebückter Haltung, Schuldbewußt
sein Leben zu fristen hat und darüber hinaus noch ein
Schuldbewußtsein, von der Generation verlangt, die nichts
mit dieser Vergangenheit zu tuhen hat. Dann muß man sich nicht
wundern, wenn die Wut darüber in Hass umschlägt!
Ich frage mich nur, was ist, wenn es bald keine “Überlebenden”
dieser entsetzlichen Geschehnisse mehr giebt?
Die Sogenannte Kolektievschuld aufrecht zu halten ist ja bei
den Auserwählten festes Programm! Ausgerechnet bei Denen, die
die Menschenrechte in Verbrecherischte Weise missachten!
Man sollte die Tora und den Talmud lesen, dann wird klar
warum Diese Religionsgemeinschaft so handelt!
Es wird Zeit, das Wir Uns auf das Heute besinnen um dafür zu
sorgen das Das nicht noch einmal passiert!