Acht Thesen zum Buch, erläutert vom Autor.
Globale soziale, ökonomische und ökologische Krisen sowie die enge Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Macht- und Gewaltstrukturen kennzeichen die ‘Megamaschine’, das zugleich produktivste wie destruktivste Herrschafts- und Wirtschaftssystem der menschlichen Geschichte. Nun steht es vor dem Zerfall. In einem Vortrag stellt Fabian Scheidler, der Autor des Buches ‘Das Ende der Megamaschine’, 8 Thesen auf, welche das System zum einen beschreiben und zum anderen Aufschluss darüber geben, warum es an seinem Ende angelangt ist.
Ich habe die Thesen kurz zusammengefasst, empfehle aber dringend, sich den ganzen Vortrag anzuhören und möglichst auch das Buch zu lesen. Ferner habe ich weitere Videos und Links zum Thema beigefügt.
Fabian Scheidler: Das Ende der Megamaschine. 8 Thesen (25:46 min)
1. (1:48) Globale Krisenprozesse haben gemeinsame systemische Wurzeln, die in der Funktionsweise der Megamaschine, dem modernen, kapitalistischen Weltwirtschaftssystem, liegen. Dieses System entstand vor ca. 500 Jahren. Sein allgemeines, allem anderen übergeordnetes Prinzip besteht in der endlosen Akkumulation von Kapital. Das System kann nur durch permanentes Wachstum existieren. Dort, wo es herrscht, ist es in sämtlichen politischen und wirtschaftlichen Institutionen verankert. Etwas vergleichbares gab es in dieser Form nie zuvor in der Geschichte der Menschheit.
2. (3:32) Die Megamaschine ist nicht nur ein ökonomisches System, sondern von Anfang an unlösbar mit Strukturen der organisierten Gewalt verbunden, insbesondere mit dem militarisierten Staat. Ökonomie und Staat arbeiten nicht unabhängig oder getrennt voneinander oder gar gegeneinander, wie es heute gerne dargestellt wird – der Staat als Kontrollinstanz und Regulator wirtschaftlichen Handelns – sondern sind eng miteinander verflochten. Es besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis: Wirtschaft und Handel benötigen zum Erzielen von Profiten auf Kosten der jeweiligen Bevölkerungen den Schutz staatlicher Gewalt und staatlichen Militärs, der Staat bzw. das Herrschaftssystem benötigt die von Wirtschaft und Handel erworbenen Mittel und bereitgestellten Kredite zur Aufrechterhaltung seines luxuriösen Lebens und seiner militärischen Macht in Form von Söldnerheeren und stehenden Armeen. Ausdruck hierfür ist die permanente Verschuldung der Staaten bei Kaufleuten bzw. privaten Geldgebern.
Die Herausbildung der Megamaschine geschah unter schwersten sozialen Konflikten und erfolgte gegen massivste Widerstände. Der Kampf englischer Schafzüchter und Bauern gegen die Privatisierung der Allmenden (Gemeindeland), der deutsche Bauernkrieg und später die französische Revolution sind nur einige Beispiele hierfür.
Bereits in den italienischen Stadtstaaten Venedig und Genua agierten staatliches Militär und Kaufleute Hand in Hand, Handelsplätze und -wege wurden militärisch erobert und gesichert. Später verfügten die niederländische und die britische Ostindienkompanie sogar – mit staatlichem Segen – über eigenes Militär, bildeten also praktisch einen Staat im Staate.
Heute kontrollieren die 500 größten Unternehmen der Welt, zumeist Aktiengesellschaften, die Hälfte des Welt-BSP, beschäftigen aber nur ca. 3 % (?) der Arbeitnehmer.
3. (10:52) Die Megamaschine ist das produktivste und zugleich destruktivste System der menschlichen Geschichte. Die Herstellung der gewaltigen Reichtümer der Moderne ist untrennbar mit 500 Jahren Kulturvernichtung, Naturzerstörung, Völkermord und Kriegen verbunden, die inzwischen sogar das Leben auf der Erde auszulöschen drohen. Einer der grauenhaftesten Genozide fand vor dem 1. Weltkrieg in Belgisch-Kongo statt und forderte in 30 Jahren 10 Millionen Opfer – die Hälfte der Bevölkerung.
4. (13:27) ‘Die gewaltsame Expansion der Megamaschine wurde und wird durch eine Mythologie legitimiert, die den Westen als Träger einer weltgeschichtlichen Heilsmission darstellt’. Erst war diese Mythologie das Christentum wie bei der Conquista von Südamerika, heute sind Aufklärung, Zivilisation, der Glaube an Entwicklung und (pseudo-) rationales Denken die Folien, auf denen die westliche Heilslehre transportiert wird.
5. (15:20) ‘Die Megamaschine ist mit echter Demokratie im Sinne von Selbstbestimmung und Selbstorganisation nicht vereinbar, denn sie erfordert die Unterordnung der Menschen unter die Zwänge der endlosen Kapitalakkumulation.’ Marktwirtschaft und Demokratie sind kein Geschwisterpaar, sondern Gegensätze. Schon James Madison, einer der Väter der amerikanischen Verfassung, plädierte für eine ‘Republic’ statt für ‘Democracy’ und meinte damit ein Staatswesen im Sinne einer Oligarchie, das von wenigen Auserwählten und nicht von allen bestimmt und gelenkt wird.
6. (18:36) ‘Die Megamaschine stößt im 21. Jahrhundert an planetare Grenzen, die in ihrer Kombination wahrscheinlich unüberwindlich sind.’ Innere Grenzen sind soziale und ökonomische Krisen. Immer mehr Menschen sind abgehängt vom System, weltweit weit über die Hälfte, Tendenz steigend. Daraus resultiert ein soziales, aber auch ein ökonomisches Problem, nämlich in der Form, dass dem wachsenden Angebot an Gütern und Dienstleistungen keine ausreichende Nachfrage mehr gegenübersteht. Eine steigende Verschuldung von Staaten und Konsumenten ist die Folge. Die äußeren Grenzen sind die ökologischen Grenzen des Planeten, welche bereits der Club of Rome in seinem Bericht zu Beginn der 1970er Jahre formuliert hat.
7. (22:31) Wir brauchen einen Ausstieg aus der Megamaschine, solange sie noch läuft. Wenn wir nur auf den Crash warten, könnte alles noch schlimmer werden. Ausstieg aus der MM bedeutet Ausstieg aus der endlosen Kapitalakkumulation. Etwa durch genossenschaftliches statt profitorientiertes Wirtschaften.
8. (24:00) Vermutlich wird es keinen sanften Ausstieg mit einem geordneten Übergang zu etwas anderem geben.
Die komplette Veranstaltung in Besigheim (1:55:33 h)
Anmerkung:
Ich verstehe die Herausbildung der Megamaschine als einen permanenten Entwicklungsprozess, eine fortlaufende Erweiterung von politischer und militärischer Macht und ökonomischer Abschöpfung, ausgehend von einer zunächst lokalen Basis bis hin zu den Grenzen des Möglichen und Machbaren, das sind heute und vermutlich auf Dauer oder zumindest noch für eine sehr lange Zeit die Grenzen des Planeten. So sind alle großen Reiche der Welt entstanden.
Die Qualität dieses Prozesses, ob zunächst vor Ort regional oder später global in den Kolonien, ist im Prinzip die gleiche, auch wenn in den öffentlich und medial sichtbaren Bereichen meist behutsamer agiert wird als in den öffentlich und medial abseits gelegenen, finsteren Enden und Ecken der Welt, in denen Quantität und Intensität nicht zuletzt aufgrund der im Laufe der Zeit zu immer monströseren Mordmaschinen und -systemen herangewachsenen Mittel und Möglichkeiten oft noch dämonischer erscheinen mag. Auch Hitlers Projekt des ‘neuen Lebensraums im Osten’ ist letztlich eine Art Versuch von spätem Kolonialismus.
Links:
Buch: Das Ende der Megamaschine: Geschichte einer scheiternden Zivilisation
Video: Kurze Erklärung der Megamaschine (7:30 min, Youtube)
Video: Mittellanges Interview mit Fabian Scheidler (37:30 min, Youtube)
Titelgraphik:
By Papamanila (Self-photographed) [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons
Ja, Deine Kritik an diesen Punkten teile ich, dennoch halte ich die Theorie insgesamt für einleuchtend. Dass er sich da am ‘weißen Mann’ festbeißt und damit leider einem reversen Rassismus Vorschub leistet, ist sehr bedauerlich und zeigt, dass eben auch ein Fabian Scheidler nicht gegen blinde Flecken gefeit ist. Sklaverei z.B. gab es in Afrika lange vor Ankunft des weißen Mannes und auch lange vor Ankunft der Araber. Und auch in Europa gab es weit mehr weiße Männer, die als Leibeigene versklavt waren oder als Soldaten verheizt wurden als weiße Sklavenherren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_innerhalb_von_Schwarzafrika
Auch ganz interessant zum Thema ‘Weißer Mann’:
“Die Auseinandersetzung mit Wissen, das Lernen an sich, verändert die neuronale Struktur in den Hirnen der Lernenden und katapultiert das intelligente Drittel auf eine neue neuronale Ebene, von der aus es immer neue Erfindungen tätigen könne, Gelerntes nutzbringend anwenden und weiterentwickeln könne.”
http://www.handelsblatt.com/panorama/kultur-kunstmarkt/das-ende-des-abendlandes-letzte-rettung-fuer-den-weissen-mann/2770636.html
Scheidler bringt eine Analyse des Spät-Kapitalismus und liegt damit in der Tradition von Marx. Es ist eine Kritik aus absolut linker Sicht mit der Grundthese: “Der Kapitalismus des “Weißen Mannes” hat sich an der ganzen übrigen Welt schuldig gemacht. Das liegt ungefähr auf demselben Niveau als wenn ich behaupten würde: Der Löwe hat sich am Tod so vieler Antilopen schuldig gemacht. Die Argumentation ist sehr einseitig und es ist zur Relativierung der Thesen von Scheidler unbedingt Jan Morris “Krieg – Wozu er gut ist” zu empfehlen. Evolution – auch die der menschlichen Spezies – ist kein linker Kindergeburtstag auf dem alle gleich sind. Wäre das so, würde sich absolut nichts entwickeln und schlimmer noch, es würde eine Rückentwicklung geben. Nur eins dieser fragwürdigen Argumente, die er brachte, sinngemäß: Den Mangel an Demokratie sehen wir auch daran, dass Schüler nicht bestimmen können was sie lernen wollen. Das wäre natürlich sehr verlockend für linke Popululisten und Demagogen, wenn Kinder auch wählen könnten. Ihre Wahlmacht würde weiter steigen. Denn sie wären die ersten, die diese Kinder in ihrem Sinne indoktrinieren könnten und auch würden. Das haben die Nationalen und Internationalen Sozialisten ja schon bewiesen. Was Schindler auch nicht bringt ist eine Vision warum der Ausstieg notwendig wird. Was er als Vision hat, ist der Sozialismus Kommunismus, das verschweigt er aber wohlweislich noch.