8. Mai 1945 – Stunde Null: Deutschland nach dem Krieg.
Am 08. Mai 1945 trat die einen Tag zuvor vereinbarte bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Der 2. Weltkrieg in Deutschland war zu Ende, die nationalsozialistische Schreckensherrschaft Geschichte.
Fast 70 Mio Menschen verloren nach Berechnungen von Historikern im Krieg ihr Leben, 25 Mio Soldaten und mehr als 40 Mio Zivilisten, darunter etwa 6 Mio Juden durch den Holocaust. Noch weitaus mehr büßten Gesundheit, Angehörige, Heimat, Obdach, Hab und Gut ein. Millionen Frauen verloren ihre Männer, Männer ihre Frauen, Mütter ihre Söhne, Kinder ihre Väter, Väter ihre Töchter. Die Opferzahlen unter den Zivilisten – Frauen, Männer, Kinder und Alte – waren sogar noch höher als diejenigen unter den Soldaten. Den höchsten Blutzoll insgesamt mussten Russland (27 Mio), China (13.5), Deutschland (6.4 bis 9,5), Polen (6), Japan (3.8) und Indien (3) entrichten. Zig Millionen Überlebende trugen Verwundungen an Leib und Seele davon.
Psychische und politische Schäden und Traumata vererbten sich auf nachfolgende Generationen und dauern an bis auf den heutigen Tag.
Die Stunde Null
Deutschland zur Stunde Null
Die Verbrechen der Wehrmacht
Die deutsche Wehrmacht und vor allem die Verbände der Waffen- SS begingen auf ihrem Marsch durch Europa ungeheuerliche Kriegsverbrechen an gefangen genommenen Soldaten, Partisanen, Zivilisten und an Juden im Rahmen der Judenverfolgung und -vernichtung.
Von den über 5 Mio russischen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft kamen fast zwei Drittel (3.3 Mio) um, 80.000 gefangen genommene jüdische Angehörige der Roten Armee wurden ermordet. Von den ca. 230.000 von der Wehrmacht internierten Soldaten der Westalliierten starben etwa 3% in Gefangenschaft. Darüber hinaus wurden unzählige Partisanen, die keinen Status als Kriegsgefangene besaßen sowie tatsächliche und vermeintliche zivile Unterstützer und Kollaborateure, oft genug einzig und allein zum Zwecke der Abschreckung, vor allem in Russland, Polen, Ost- und Südeuropa sowie in Frankreich, Belgien und anderswo hingerichtet.
Die Verbrechen der Wehrmacht
Sexuelle Gewalt
Sexuelle Gewalt spielte auch bei der Wehrmacht eine nicht unerhebliche Rolle, jedoch gibt es hier wenig belastbares Zahlenmaterial. Gut 5.000 Wehrmachtsangehörige wurden wegen entsprechender Delikte belangt, die Dunkelziffer dürfte um ein vielfaches höher liegen, zumal ein derartiges Vorgehen in der Regel als Kavaliersdelikt galt und Bordelle für Offiziere und Mannschaften ganz legal eingerichtet wurden, in denen häufig auch weibliche KZ-Häftlinge ihre sexuellen Dienste anbieten mussten.
Verschiedentlich ist von mehreren hunderttausend bis mehr als 1 Mio ‘Wehrmachtskindern’ die Rede, welche von den 18 Mio deutschen Soldaten zwischen 1939 und 1945 im besetzten Europa gezeugt wurden, in vielen Fälle jedoch vermutlich ebenfalls im Rahmen von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr. So wurden etwa die deutschen Besatzungssoldaten in Norwegen regelrecht ermuntert, einvernehmliche Beziehungen zu jungen norwegischen Frauen einzugehen, da Norweger dem ‘Führer’ als Arier reinster Sorte galten.
Die Verbrechen der Befreier
Krieg kennt keine Gnade und keine Moral und macht keinen Unterschied zwischen Schuldigen und Unschuldigen. Verantwortlich sind meist nur einige wenige, aber viele machen mit und dafür büßen müssen alle.
Flächenbombardemets und Bombenangriffe auf Städte, bei denen die Zivilbevölkerung das Hauptangriffsziel ist, gelten etlichen Historikern als Kriegsverbrechen.
Des öfteren wurde vor wichtigen Gefechten sowohl von Seiten der Achsenmächte als auch von Seiten der Alliierten offiziell oder inoffiziell die Parole ‘Keine Gefangenen’ ausgegeben.
Gegen Ende des Krieges ereilte die Deutschen – Soldaten wie Zivilbevölkerung, insbesondere die Frauen – die Rache der Sieger für die Verbrechen von SS und Wehrmacht. Etwa 1.3 Mio der ca. 11 Mio deutschen Kriegsgefangenen kehrten nicht wieder heim, wobei die Sterblichkeit der ca. 7.5 Mio Soldaten in westalliierter Gefangenschaft nach offiziellen Zahlen zwischen weniger als einem und drei Prozent (Frankreich) lag, bei den gut 3 Mio in russischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Soldaten hingegen bei einem Drittel. Dies lag möglicherweise zum Teil auch an der langen Dauer der Gefangenschaft. Die letzten Kriegsgefangenen kehrten erst 1955 auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer aus Russland heim. Etwa 1.3 Mio deutsche Militärangehörige gelten bis heute als vermisst.
Doku: ‘Die Verbrechen der Befreier’ »ZDF Mediathek (»Ersatzlink). Hier ein weiteres Video zum Thema ‘Alliierte Kriegsverbrechen’: (»Rheinwiesenlager)
Kontroversen gibt es bei den Darstellungen über die meist von den Amerikanern im Sommer 1945 eingerichteten, später auch von Briten und Franzosen betriebenen provisorischen Kriegsgefangenen- Lagern in den sumpfigen Rheinwiesen, den sogenannten ‘Rheinwiesenlagern’. Dort waren die Zustände insbesondere in den ersten Wochen katastrophal. Weder gab es Unterkünfte noch Sanitäre Anlagen noch ausreichend Nahrung. Insgesamt wurden dort wohl 1 Mio Menschen oder mehr festgehalten. Die Schätzungen, wie viele Menschen dort umkamen, gehen weit auseinander. Meist werden Opferzahlen zwischen 8.000 und 40.000 genannt, einige meinen, dass es erheblich mehr gewesen sein könnten.
Sexuelle Gewalt
Nach zurückhaltender Schätzung wurden fast 1 Mio deutsche Frauen von Amerikanern, Briten, Franzosen und Russen vergewaltigt, schreibt die Historikerin Miriam Gebhardt in ihrem Buch ‘Als die Soldaten kamen’. Andere Forscher gehen gar von über 2 Mio vergewaltigten deutschen Frauen aus, wobei über ein Drittel von ihnen mehrfach vergewaltigt wurde.
Aufgrund der Vergewaltigungs- und Gewaltexzesse gegen Kriegsende kam es zu einer Welle von Selbstmorden unter den schutzlos den alliierten Soldaten ausgelieferten deutschen Frauen und Familien. In Demmin (Mecklenburg- Vorpommern) wüteten Soldaten der Roten Armee nach dem Einmarsch am 30. April in den darauf folgenden Wochen derart brutal, dass sich um 900 Demminer, das sind 6% der Einwohner, das Leben nahmen. Die meisten gingen ins Wasser der Tollense oder Peene.
Im Südwesten tobten sich französische Soldaten aus. In Freudenstadt wurden Frauen und Mädchen tagelang von marokkanischen Soldaten missbraucht, in Stuttgart und Pforzheim kam es zu Massenvergewaltigungen, in Karlsruhe wurden täglich hunderte von Frauen, oftmals im Rahmen von Plünderungen zu sexuellen Handlungen genötigt. Schließlich wurden von der Militärverwaltung Bordelle eingerichtet, in denen junge Frauen und Mädchen, die man willkürlich auf der Straße aufgriff, zum Liebesdienst gezwungen wurden.
Nach groben Schätzungen wurden in Deutschland während der Besatzung durch die Alliierten insgesamt mindestens 160.000 Besatzungskinder (250.000) geboren, wobei es allerdings unklar ist, ob der Großteil der Kinder aus Liebesbeziehungen oder einvernehmlichen Kontakten hervorging oder im Rahmen von Vergewaltigungen gezeugt wurde. Dem Wunsch junger Frauen, unter Gewalt oder Drohungen gezeugte Föten abzutreiben, wurden zunehmend verständnisvoll begegnet.
Stunde Null und Wiederaufbau
In der Stunde Null zählten erstmal nur noch die fundamentalen menschlichen Primärbedürfnisse: Nahrung, Wohnung, Sicherheit, Angehörige. Bis 1948 prägten Hunger, beengte Wohnverhältnisse, die Suche nach Angehörigen und in den Wintermonaten die Kälte das Leben der Menschen.
Hungerjahre
Obwohl die ländlichen Regionen vom Krieg weitgehend verschont geblieben waren, sanken die landwirtschaftlichen Erträge. Geräte und Maschinen waren oft nicht einsatzbereit, da es an Treibstoff und Ersatzteilen mangelte, Düngemittel konnten nicht ausreichend beschafft werden und die Getreidelieferungen aus den Kornkammern der verlorenen Ostprovinzen entfielen. Zwar produzierten die Bauern immer noch mehr als genug für den Eigenbedarf, für eine ausreichende Versorgung der großen Städte reichten die Überschüsse jedoch nicht. Zum Problem geringer Erträge kamen aufgrund der Schäden in der Verkehrs- Infrastruktur sowie der Grenzen zwischen den 4 Besatzungszonen gravierende Verteilungsprobleme hinzu. Obwohl den Bauern von den Alliierten Abgabequoten zur Belieferung der übrigen Bevölkerung auferlegt wurden, erging es der ländlichen Bevölkerung im Allgemeinen hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmitteln wesentlich besser als den Menschen in den Städten.
Die Lebensmittelverteilung erfolgte durch die Alliierten über Lebensmittelkarten, welche die Berechtigung zum Erwerb von Lebensmitteln regelten und je nach Tätigkeit des Beziehers in 5 Nährwert- Kategorien eingeteilt waren.
Deutschland – Nachkriegszeit
Kalte Winter, knapper Wohnraum
Nahezu sämtliche größeren Städte in Deutschland wurden während des Krieges durch Bombenangriffe beschädigt, viele Innenstädte wie etwa in Berlin, Dresden, Köln, München und anderswo zu über 90% zerstört. Insgesamt wurden 1/5 der Wohnungen und Fabriken und 2/5 der wichtigen Verkehrsverbindungen, Straßen, Schienen und Brücken zerstört.
1.8 Mio Wohnungen waren unbewohnbar und 3.6 Mio beschädigt, 20 Mio Menschen von der Zerstörung von Wohnraum betroffen. Hinzu kamen Millionen von Vertriebenen insbesondere aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, die ein Dach über dem Kopf benötigten. Für 14 Mio Haushalte standen nach dem Krieg weniger als 8 Mio Wohnungen zur Verfügung. Keller, Dachkammern, Verschläge, Ställe – alles wurde als Wohnraum genutzt. In den Städten mussten sich oft mehrere Familien eine Wohnung teilen. Das größte Problem war aber die Kälte im Winter. Mobiliar wurde verheizt, sogar Klaviere, Brennholz des Nachts in umliegenden Gehölzen geschlagen und Kohlen auf dem Gelände von Bahnhöfen ‘organisiert’. Da die Menschen zusätzlich vom Hunger geschwächt waren, stieg die Sterblichkeitsrate in den Wintermonaten in manchen Regionen um 50%.
Schwarzmarkt
Der Supermarkt der Nachkriegszeit war der Schwarzmarkt. Die wichtigste Währung waren Zigaretten, zumeist amerikanische der Marke Lucky Strike. Auf dem Schwarzmarkt gab es so gut wie alles, u.a. wurden Brot, Fleisch, Lebensmittel und Lebensmittelkarten gegen Kaffee, Schnaps, Benzin, Uhren und Schmuck getauscht, wobei die Nachfrage bei weitem das Angebot übertraf. Begehrte Waren wie Zigaretten, Genuss- und Lebensmittel stammten von (amerikanischen) Besatzungssoldaten, Bauern und manchmal auch aus Raubzügen und Diebstählen, als Kunden traten Bürger auf, die ihre vor Plünderungen geretteten Wertsachen veräußerten. Schwarzmarkthandel war verboten und wurde streng bestraft, oftmals allerdings gelangten beschlagnahmte Waren erneut in den Handel…
Suche nach Angehörigen
Die Suche nach Angehörigen erfolgte überwiegend über das Internationale und im Falle Deutschlands über das Deutsche Rote Kreuz, die Deutsche Dienststelle (WASt) und den internationalen Suchdienst. Weitere Ansprechpartner waren bzw. sind der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und das Bundesarchiv- Militärarchiv. Suchlisten von Vermissten wurden u.a. an ‘Zettelwänden’ ausgehängt. Manche Familien fanden einander nach Jahren wieder, andere erfuhren nie wieder etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen oder Liebsten.
Entmilitarisierung und Entnazifizierung
Für die Alliierten waren darüber hinaus eine vollständige Entmilitarisierung und Entwaffnung auch der Zivilbevölkerung und die Entnazifizierung Deutschlands von vorrangiger Bedeutung, da man zunächst mit größerem Widerstand rechnete und eine Art Volkskrieg oder Partisanenkampf gegen die Besatzer befürchtete. Diese Befürchtungen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Die Deutschen waren kriegssmüde.
Darüber hinaus waren insbesondere die drei europäischen Siegermächte England, Frankreich und Russland mit der Versorgung und dem Wiederaufbau der eigenen Länder beschäftigt. Russland und Frankreich demontierten in größerem Umfange Produktionsanlagen, um sie in ihren eigenen Ländern wieder aufzubauen. Nach dem Ende des Krieges wurden mehr Fabrikanlagen demontiert als im Krieg zerstört worden waren. England und die USA hingegen interessierten sich vor allem für Patente und Erfindungen und zogen auf diese Weise enorme Werte aus Deutschland ab.
Beginn des Wiederaufbaus
Während mehr als 10 Mio deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft schmachteten, machten sich gleich nach Kriegsende die sogenannten ‘Trümmerfrauen’ – die offizielle Bezeichnung lautete ‘Hilfsarbeiterinnen im Baugewerbe’ – an die Aufräumarbeiten. Nach neueren Einschätzungen sollen es zwar wohl weniger Trümmerfrauen und die Bedeutung ihrer Tätigkeit geringer gewesen sein als lange Zeit propagiert – denn bald übernahmen professionelle Unternehmen die Hauptlast der Kriegsschutt- Beseitigung und des Wiederaufbaus – aber dennoch ist ihr Einsatz insbesondere in den ersten Tagen, Wochen und Monaten nach Kriegsende hoch einzuschätzen, finde ich.
Ab Frühjahr / Sommer 1948 ging es bei der Versorgung mit Lebensmitteln nicht zuletzt auch dank des Marshall- Planes spürbar aufwärts. Bis in die 1950er Jahre hinein arbeiteten nun vorübergehend wieder fast ein Viertel der Deutschen haupt- oder nebenberuflich in der Landwirtschaft. Die Industrieproduktion erreichte dann im Westen bereits Anfang / Mitte der 1950er Jahre wieder das Vorkriegsniveau und schritt von da an rapide voran. In den 1950er Jahren normalisierte sich allmählich auch die Situation bei der Wohnraumversorgung und die Baulücken in den Städten wurden nach und nach geschlossen, wobei zunächst eine einfache und schlichte Bebauung überwog.
Quellen und weiterführende Links:
Zweiter Weltkrieg (Wikipedia)
Kriegsverbrechen der Alliierten (Wikipedia)
Nemmersdorf (Zeit)
Hungerjahre (RegionalGeschichte.net)
Karlsruhe 1945 – Zeittafel (hbg.ka)
Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges (Wikipedia)
Heimkehrer (Wikipedia)
Sexuelle Gewalt im Zweiten Weltkrieg (Wikipedia)
Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg (DLF)
Unvermutete Übergriffe (Zeit)
Zyankali für das Volk (Welt)
Vergewaltigung deutscher Frauen (lubocattivo)
Besatzungskind (Wikipedia)
Schattendasein der Feindeskinder (NZZ)
… und weitere Seiten vor allem in Wikipedia
Draußen vor der Tür (Wikipedia)
Letzte Aktualisierung: 2020-05-08
Titelbild: Bundesarchiv, Bild 183-Z0309-310 / G. Beyer / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE
Das Dritte Reich wurde zerstört!
Und das Vierte Reich ist im werden!