‘Das Recht des Stärkeren’ versus ‘Unverletzlichkeit individueller Verfügungsrechte’.
[Gastbeitrag] Aus dem exzellenten Artikel von Thomas Rietzschel auf Achgut: «Abgeschottet im autoritären Klima der religiösen Herkunft handeln die jungen Moslems, wie sie von den Alten erzogen wurden, nach dem Faustrecht überkommener Verhältnisse. Wenn sie sich in der “Ehre” verletzt fühlen – und sei es nur durch die Aufforderung, sich in der Öffentlichkeit etwas gesitteter zu verhalten –, üben sie Rache nach der Vorfahren Art.
Das kann man so oder so betrachten, als eine enge Verbundenheit mit der Tradition oder als einen Ausbruch blanker Barbarei. Es ändert nichts an der Existenz einer Parallelgesellschaft, die sich zur Bedrohung der Zivilisation auswächst. Wer das übersieht, macht sich, bewusst oder unbewusst, der Vertuschung schuldig.
Wenn Leute wie Halid S. zuerst und juristisch korrekt als “Deutsche” identifiziert werden, ohne dass ein Wort über deren geistige Existenz in einer Community jenseits des bürgerlichen Rechtsstaates verloren wird, dann läuft das auf die moralische Anerkennung ihrer abgesonderten Gesellschaft innerhalb der bürgerlichen hinaus.»
Die Rede ist von einer Parallelgesellschaft beziehungsweise Parallelkultur, in der das moralische Bezugssystem die Ehrenkultur ist. In der Ehrenkultur wird Gewalt – gemäß Wikipedia – “als akzeptabler Weg gesehen, um auf Kränkungen oder Gefahren des Selbst, der Familie, des Besitzes oder der Reputation einer Person zu antworten.” Jan Verplaetse, Professor für Rechtsphilosophie und Ethik an der Universität Gent, bezeichnet sie in seinem Buch “Der moralische Instinkt” als “Moral der Gewalt” und merkt dazu an (Verplaetse, Jan 2011: Der moralische Instinkt. Über den natürlichen Ursprung unserer Moral. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, S. 75):
«Gewalt ist nicht der Gegenpol der Moral. Gewalt ist das zentrale Element einer bestimmten Art von Moral, nämlich der Moral der Gewalt. Eine Moral, die auf eine ehrenwerte Vergangenheit zurückblicken kann, von vorgeschichtlicher Zeit bis zum Mittelalter. Wir treffen sie heute noch bei amerikanischen Straßengangs, europäischen Fußballhooligans, südamerikanischen Straßenkindern, albanischen Mafiagruppen oder afrikanischen Kindersoldaten an, aber keineswegs nur dort. Es ist die Moral, der wir uns unterwerfen, sobald die sogenannte Zivilisation zusammenbricht. Obwohl kein vernünftiger Mensch es sich einfallen lassen würde, heutzutage eine solche Moral zu propagieren, besitzt sie dennoch alle Eigenschaften eines Moralsystems mit eigenen Normen und Werten (…). Die Moral der Gewalt ist ein in sich schlüssiges System.»
Moral der Gewalt contra staatliches Gewaltmonopol
Die Ehrenkultur beruht letztlich auf dem “Recht des Stärkeren”, während in zivilisatorischen Moralsystemen die “Unverletzlichkeit individueller Verfügungsrechte” bestimmend ist (in meinem Buch “Was ist Leben?” auch “Recht des Besitzenden” genannt). Hinsichtlich der Anwendung von Gewalt gilt in modernen Zivilisationen üblicherweise ein staatliches Gewaltmonopol. Kulturen, die auf der Moral der Gewalt beruhen, sind deshalb mit zivilisatorischen Kulturen, in denen ein staatliches Gewaltmonopol besteht, unvereinbar.
Sie können auch nicht im Sinne eines Multikulturalismus in der selben Gesellschaft gleichwertig nebeneinander existieren, sondern tatsächlich nur in getrennten Parallelgesellschaften innerhalb der gleichen Gesellschaft bei möglichst geringer gegenseitiger Interaktion. Bei einem zufälligen Zusammentreffen von Vertretern beider Moralsysteme kann es nämlich ganz leicht zu gravierenden Missverständnissen kommen, die im Extremfall tödlich enden, meistens zum Nachteil der Angehörigen des zivilisatorischen Moralsystems. Der Totschlag von Augsburg ist letztlich nur ein Beispiel unter vielen.
Tod eines Feuerwehrmannes: Reaktionen aus der Bevölkerung
Fallbeispiele
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde vor allem der Fall der Studentin Tuğçe Albayrak, über den es auf Wikipedia heißt:
«Bereits vor Albayraks Tod sorgte der Fall für großes Aufsehen. Bilder der jungen Frau wurden überall im Fernsehen, in den sozialen Medien und in Tageszeitungen verbreitet. TV-Sender entsandten Reporter nach Offenbach. Staatliche Auslandssender wie Deutsche Welle, öffentlich-rechtliche Sender wie ARD, ZDF und Privatsender wie Pro7, Sat1, RTL oder n-tv berichteten detailliert und mit Liveübertragungen vor dem Krankenhaus über die Entwicklungen.
Landesweit setzte der Vorfall eine Debatte über Zivilcourage im Alltag in Gang. In Fernsehen und Radio, insbesondere aber in den sozialen Medien wurde die Frage diskutiert, ob die Menschen in Deutschland das für notwendig erachtete Maß an Zivilcourage aufbieten würden. Es wurden Vergleiche mit dem Fall von Dominik Brunner gezogen, einem bayerischen Manager, dem fünf Jahre zuvor posthum das Bundesverdienstkreuz verliehen worden war. Noch vor Klärung der Geschehnisse, die dem Gewaltakt vorausgegangen waren, wurde Tuğçe Albayrak zu einem Symbol für Zivilcourage. In deutschen Medien erhielt sie den Status einer “modernen Märtyrerin” oder “Ikone der Zivilcourage”.»
Möglicherweise besaß Tuğçe Albayrak für die überwiegend linken Medien lediglich die richtigen Attribute (weiblich, Studierende, türkische Abstammung), um aus ihr eine “moderne Märtyrerin” zu machen. Vielleicht war das enorme Aufsehen ihres Falls aber auch nur dem Umstand geschuldet, dass solche Taten zur damaligen Zeit noch eher selten waren, und sich bestimmte Bevölkerungskreise deshalb noch nicht genötigt sahen, sie mit Sätzen wie “so etwas tun Deutsche auch” zu bagatellisieren und möglichst rasch aus der öffentlichen Wahrnehmung zu drängen.
Der schreckliche Augsburger Fall ähnelt in gewisser Weise auch der Messerattacke auf die 24-jährige Vivien K. in Großburgwedel. Ihr ging zunächst ebenfalls eine harmlose Ermahnung von zwei 13- beziehungsweise 14-jährigen syrischen Jungen durch das spätere Opfer und deren Freund voraus:
«Am 24. März 2018, einem Samstagabend, geht Vivian mit ihrem Freund Dominik nur noch schnell ein paar Teile einkaufen, als es im Supermarkt in Burgwedel (Niedersachsen) zu einem Streit mit zwei Jugendlichen (13 und 14 Jahre) kommt. Auf dem Weg nach Hause trifft das Paar die Jugendlichen dann plötzlich noch mal wieder – diese haben sich Verstärkung geholt: Ihr 17-jähriger Bruder beziehungsweise Cousin, der sogar ein Messer dabei hat. Es kommt zu einer Rangelei zwischen den Jugendlichen und Vivians Freund, der ihren Partner aus der Situation befreien will. Dann bricht Vivian plötzlich blutend zusammen. “Er hat dann wohl zugestochen”, erzählt Dominik im RTL-Interview. Plötzlich ist seine Freundin das Opfer. Schwerverletzt nach einem nichtigen Streit. “Ich hab nur gehofft, dass sie es packt”, so der 25-Jährige.»
Gemeinsam ist allen drei Fällen, dass die späteren Opfer ihre Peiniger zunächst ermahnten (und im Fall Tuğçe wohl auch beleidigten), was für die Ermahnten eine Ehrverletzung darstellte. Und darauf reagierten sie mit brachialer Gewalt, in zwei Fällen war das Opfer anschließend tot, im dritten überlebte es nur knapp und mit lebenslänglich bleibenden Schäden.
Das besonders Bestürzende an den beiden Fällen von Augsburg und Burgwedel ist, dass die Auslöser dabei absolute Nichtigkeiten waren. Kontroversen dieser Art hat wohl jeder schon einmal erlebt. Und in zivilisatorischen Moralsystemen werden sie üblicherweise auch schnell zu einem gewaltlosen Ende gebracht.
Es muss dabei auch nicht um Zivilcourage gehen, wie es im Fall Tuğçe Albayrak stets betont wurde. Die Großburgwedeler Vivien K. hatte im Grunde lediglich (unbezahlte) Integrationsarbeit geleistet, als sie zwei 13- und 14-jährige raufende Jungen darauf hinwies, dass sich so etwas in einem Supermarkt nicht gehört. Wenn aber selbst solch einfachste Ermahnungen in unserer Gesellschaft nicht aussprechbar sind, ohne sich dabei selbst einer potenziellen Gefahr auszusetzen, schließt sich ein Zusammenleben zwischen den Angehörigen der beiden Moralsysteme rigoros aus. Anders gesagt: Ein gleichberechtigtes Nebeneinander beider Moralsysteme in der gleichen Gesellschaft ist nicht möglich.
Altbundeskanzler Helmut Schmidt zum Thema ‘kulturelle Kompatibilität von Zuwanderung’ 2010 bei Maischberger [Ersatzlink]: “Zuwanderung aus fremden Zivilisationen schafft mehr Probleme, als es uns auf dem Arbeitsmarkt an positiven Faktoren bringen kann.” [Ganzes Interview] – [Interview 2002] [Interview 2015] [Schmidt / Maischberger Interview-Mix]
Ich hatte vor einigen Wochen auf Facebook selbst von einem Aufeinandertreffen mit einem Angehörigen der Ehrenkultur berichtet (“Das fliegende Fahrrad und die Ehrenkultur”). Ich hätte mir zuvor im Leben nicht vorstellen können, dass in unserer Gesellschaft selbst solche eher heiteren Ereignisse unvermittelt in bedrohliche Situationen umkippen können: Ein vor meinem örtlichen REWE (ungünstig) abgestelltes Fahrrad war durch das automatische Jalousiensystem des Supermarkts fast 2 Meter in die Höhe gehoben worden, und ich hatte das lustige Ereignis mit meinem Handy fotografiert. Bis der zunächst unbekannte (allerhöchstens 16 Jahre alte) vermeintliche Fahrradbesitzer auftauchte und fast nötigend darauf insistierte, dass ich sein Damenfahrrad nicht fotografieren dürfe. Mir ging unwillkürlich der Fall Vivien K. durch den Kopf, weswegen ich mich sehr bemühte, die Situation zu deeskalieren. Ein mulmiges Gefühl blieb dennoch zurück.
Gesellschaft vor dem Scheitern?
Der tragische Augsburger Fall und die anderen beschriebenen Fälle haben in aller Klarheit deutlich gemacht, dass unsere Gesellschaft kurz vor dem Scheitern steht, und zwar primär durch die absurde, törichte und menschenverachtende Ideologie des Multikulturalismus verursacht. Versagt haben zudem Politik, Medien, Bildungssystem und Sozialstaat. Wie konnte es nur geschehen, dass die grundsätzlichen Unterschiede zwischen der deutschen Kultur und einigen Einwandererkulturen – die sich nun sogar in Deutschland selbst massiv zu reproduzieren scheinen – nie ernsthaft thematisiert und problematisiert wurden, offenbar selbst in der Schule nicht? Es geht dabei nicht um das Erlernen der Landessprache oder um Grundgesetzkenntnisse, sondern um das grundsätzliche Moralsystem, das bereits in Alltagssituationen bei ganz normalen Begegnungen zum Tragen kommt.
Der Augsburger Fall zeigt, dass die meisten Politiker und Journalisten offenbar nichts vom Leben verstanden haben und die Bevölkerung auf geradezu verachtenswerte Weise im Stich lassen.
Links:
Wie der öffentliche Raum verloren geht (JFB)
Junge Männer auf Feindfahrt (Schirrmacher, FAZ, 2008)
Autor: [Peter Mersch]
Titelbild: LezFraniak [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
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