Realpolitik und Verantwortungsethik
Der Philosoph und ehemalige SPD-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin plädiert dafür, die ethischen Aspekte der Migration ‘einer rationalen Klärung zuzuführen’ und damit den Gegensatz von Ethik und Realpolitik zwischen vermeintlichen ‘Gutmenschen’ und ‘Realisten’ (also zwischen ‘Gesinnungsethikern’ und ‘Verantwortungsethikern’) zu überwinden. Eine humanistische, ‘moralisch gute’ Migrationspolitik müsse sowohl auf Sozialverträglichheit in den aufnehmenden Ländern achten wie auch darauf, dass die abgebenden Länder nicht ausbluten und ihre Fachkräfte verlieren.
Man müsse anerkennen, “dass die oberen Mittelschichten und die Oberschichten … eher von Immigration profitieren…” (z.B. billige Arbeitskräfte, Haushaltshilfen etc.) während “die mit schlechtem, niedrigem Einkommen, prekären Arbeitsverhältnissen tatsächlich durch diese neue Konkurrenz noch zusätzlich unter Druck kommen..”.
Als Ursachen für die Migration aus den Kriegsgebieten in Nahost nach Europa nennt der Philosoph die mangelnde Bereitschaft der Weltgemeinschaft, die Nachbarländer “…mit den nötigen Mitteln [SZ] [Heise] [Zeit] [n-tv] [FAZ] [Std] [WFP] [Welt] [Zeit 2] zu versehen, damit die Menschen dort gut versorgt werden können…”. Zur Armuts- und Wirtschaftsmigration etwa aus Afrika, die zusätzlich und in Zukunft noch verstärkt auf Europa zukommt, sagt Nida-Rümelin: “Das wird vermutlich die große Herausforderung sein und die Antwort muss sein, andere Wirtschaftsverhältnisse, andere soziale Bedingungen in Afrika mit schaffen zu helfen…” und “dort zu helfen, wo es wirklich nötig ist”.
Nicht zuletzt angesichts der Dimension der Probleme – 720 Mio Menschen sind unterernährt, 600 Mio ohne Zugang zu Trinkwasser – kommt Nida-Rümelin zu dem Ergebnis, ‘… dass es starke staatliche Grenzen und ein entsprechendes Recht unbedingt braucht. […] Die Aufnahme von Armutsflüchtlingen sei “kein vernünftiger Beitrag zur Bekämpfung von Weltarmut.” Fazit: „Ich spreche mich also aus kosmopolitischen und humanitären Erwägungen gegen eine Politik der offenen Grenzen zur Bekämpfung des Weltelends aus.’ (Beiträge zu den Thesen Nida-Rümelins in WDR und DLF)
Gesinnungsethik vs. Verantwortungsethik
Wenn man Gesinnungsethik als ‘Nachdenken über das Wünschbare’ und Verantwortungsethik als ‘Kunst des Kompromisses zwischen Machbarem & Gewolltem’ betrachtet und beides oder genauer gesagt alles drei als konstitutionell für eine Dialektik der perspektivischen Gestaltung von Gegenwart & Zukunft, könnte man vielleicht ja tatsächlich in einem offenen, ehrlichen und fairen gesellschaftlichen Diskurs im Sinne von Interessenausgleich auf Basis von ‘Geben & Nehmen’ zu weitgehend einvernehmlichen Lösungen gelangen. Wenn man aber Fragen zur Gestaltung von Gegenwart & Zukunft einer Gesellschaft lieber in Hinterzimmern und im kleinen, elitären Kreise Eingeweihter & Gleichgesinnter ausbaldowert, statt die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen, so sät man Wind und erntet Sturm. Denn dann geht es am Ende des Tages um ‘wir gegen die’ und nicht um ein gemeinsames Projekt. Das ist eine eindimensionale und sehr subjektive Privatisierung der Wahrheit und das Ende von Gemeinsinn. Denn eine gemeinsame Wahrheit konstituiert sich nur aus dem dialektischen Diskurs, der alle Interessen und Bedürfnisse einschließt.
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Die Grenzen verschwimmen im Mittelmeer: Das Zusammenspiel von NGOs, Schleppern und Asylindustrie
Das Dilemma von Politik und Moral erweist sich im Mittelmeer: Ob beabsichtigt oder nicht, in der Migrationskrise spielen sich NGOs mit humanitärem Anspruch, Schleppernetzwerke und oekonomische Profiteure der Migration gegenseitig in die Karten und befördern damit den Flüchtlingsstrom: Die Migrationswirtschaft ist auf Schleuser angewiesen, die Schleuser profitieren von den Bemühungen der NGOs, Regierungen zur Aufnahme und Bevölkerungen zur Akzeptanz von Flüchtlingen zu bewegen. Die NGOs wiederum erhalten Zulauf und Spenden aufgrund des nicht abreißenden Stroms von Flüchtlingen, der aufgrund der Erfolgsmeldungen derer, die das gelobte Land erreicht haben, weiter angefacht wird. Ein Teufelskreis.
Es geht um Milliardenumsätze, die bei den Schleppern und bei der ‘Asylindustrie’ – Dienstleister und Infrastrukturanbieter, die Immobilienbranche, private Bildungsträger, Produktionsbetriebe, Kreditgeber etc. – anfallen und um Millionenbeträge an Spenden und Zuwendungen, welche die NGOs einwerben. Solange Wirtschaftsmigration in die Sozialsysteme toleriert wird und für einzelne Menschen die realistische Aussicht besteht, auf diese Weise Armut oder Perspektivlosigkeit entfliehen zu können, wird sich daran nichts ändern. Verlierer sind bedürftige Familien, Frauen und Kinder, die nicht kräftig oder vermögend genug für die Reise sind und daheim bleiben müssen oder wollen und für die nun erheblich weniger Mittel bleiben, diejenigen, die auf den Transitwegen auf der Strecke bleiben und die einfachen einheimischen Bürger, die mit Kriminalität, Gewalt, Sozialkosten und dem Verlust von Sicherheit, Heimat und Vertrautheit belastet werden. Alles in allem ist das nichts anderes als eine Form von ‘survival of the fittest’ und somit Sozialdarwinismus.
Rettung aus Seenot ist ein Gebot der Menschlichkeit, die oftmals unmittelbar vor den Küsten Afrikas Geretteten nach Europa zu holen statt sie an den Ausgangsort ihrer Reise, in ihr Herkunftsland oder in ebenso oft vorgeschlagene wie nicht eingerichtete UN- oder EU- verwaltete Asyl-Zentren in Afrika oder im Mittelmeer zurückzubringen, verewigt und verschärft das Problem.
Die Flüchtlingspolitik braucht Reformen (5:35 min) – Der britische Ökonom und Migrationsexperte Paul Collier schlägt vor, Einwanderer, die Europa illegal erreichen, zurückzuschicken. Nur so könne Schlepperbanden das Handwerk gelegt werden. Statt dessen EIN Einwanderungssystem für ganz Europa, mit klaren Regeln, Quoten und Anlaufstellen für Anträge in den Herkunftsländern. Den ämsten Ländern der Welt solle endlich so geholfen werden, dass Auswanderung dort kein Thema mehr sein wird. Asyl soll es nur für die geben, die politisch, rassisch oder religiös verfolgt werden. Es gehe nicht um die Frage, ob Migration gut ist oder schlecht, sondern wieviel Migration für eine Gesellschaft Sinn macht. [Ersatzlink]
Wenn immer weitere und immer mehr Menschen durch Beispiele geglückter Passagen in die EU, meist über Italien mit Ziel Deutschland, dazu animiert werden, sich ebenfalls auf den Weg über das Mittelmeer zu machen, wird es weitere Todesopfer geben. Schon auf dem Weg durch die Wüste nach Libyen sterben 3 x so viele Menschen wie im Mittelmeer, schätzen Experten. Australien hat durch seine konsequente Weigerung, illegale Flüchtlinge aufzunehmen, dafür gesorgt, dass sich kaum noch jemand auf den gefährlichen Seeweg macht. Wer Flüchtlinge rettet und nach Italien bringt, der hilft Schleusern, räumt inzwischen selbst die SZ ein. Und in der Zeit werden gar Gedankenspiele über militärische Interventions- Szenarien angestellt, ‘sollte die neue Völkerwanderung dramatische Dimensionen annehmen’.
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(1) »Realpolitik & Verantwortungsethik
(2) »Fakten zur Armut in der Welt
(3) »‘Migration to Welfare’ contra Integration
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/01/12/us-forscherin-kanada-nimmt-keine-unbegleiteten-maenner-als-asylanten-auf/
Das Ergebnis neoliberaler Politik ist immer das gleiche, wie schon bei der Bankenkrise gesehen: Die Gewinne werden privatisiert, die Kosten, Lasten und Verluste der Allgemeinheit aufgebürdet, allen voran den sozial Schwachen und Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen, die nun unversehens mit den Migranten im Wettbewerb um Wohnungen, Arbeitsplätze und Sozialleistungen stehen.