[Gastbeitrag] Kennen Sie Thomas P.M. Barnett? Einen US-amerikanischen Militär- Geostrategen, der mit seiner geopolitischen Theorie des “Functioning Core (Funktionierender Kern)“ und des “Non-Integrating Gap (Nicht-integrierbare Lücke)“ seit ca. 2003 als neuer Star am Firmament der Geostrategen gilt?
Barnett hat unter anderem in Politwissenschaften an der Harvard University promoviert und war von 1998 bis 2004 Senior Strategic Researcher und Professor am Warfare Analysis & Research Department, Center for Naval Warfare Studies, U.S. Naval War College in Newport, Rhode Island.
Er veröffentlichte bislang drei Bücher zu seiner Theorie:
The Pentagon’s New Map (2004)
Blueprint for Action (2005)
Great Powers: America and the World after Bush (2009)
die alle drei bislang nicht ins Deutsche übersetzt werden durften. [Anm. Zwiedenk: Zwei davon inzwischen schon, s.u. ‘Quellen’]
Thomas Barnetts zentrale These seiner geopolitischen Theorie besagt, dass die Verbindungen, die die Globalisierung zwischen den Ländern (einschließlich der Netzwerkverbindungen, Finanztransaktionen und Medienströme) schaffen, gleichbedeutend bzw. gleich zu setzen sind mit den Verbindungen zu den Ländern mit stabilen Regierungen, mit einem steigenden Lebensstandard und mit “einer höheren Anzahl an Todesfällen durch Selbstmord als durch Mord”. Diese Länder bilden den Funktionierenden Kern. Diese Regionen stehen im Kontrast zu denjenigen Regionen, in denen die Globalisierung noch nicht angekommen ist, was gleichbedeutend mit politischer Unterdrückung, Armut, Krankheit und Massenmord und Konflikt ist. Diese Regionen bilden die Nicht-integrierbare Lücke. [Anm. Zwiedenk: Wohl eher ‘noch nicht integrierte Lücke’?]
Der Schlüssel zu den geostrategischen Ideen Barnetts ist der, dass die Vereinigten Staaten “Sicherheit” in diese Lücke “exportieren”, damit diese Regionen sich integrieren und sich mit dem Funktionierenden Kern verbinden. Auch wenn dies bedeutet, dass man in den “Lücken-Ländern” Krieg führen muss, dem eine längere Phase der Nationenbildung folgt.
Soweit die Informationen, die man beispielsweise bei Wikipedia findet.
Dröselt man Barnetts Theorie weiter auf, findet man erschreckende Parallelen zu der heutigen gelebten Wirklichkeit:
Globalisierung – Die Rolle der USA
Die USA als multinationale Staatenunion ist für Barnett der Leuchtturm der Globalisierung, was seiner Meinung nach auch von den USA nicht geleugnet werden kann, da man sich zu den universellen Idealen von Freiheit und Gleichheit und keiner ethnisch definierten Identität bekannt hat. “Unsere Interessen sind global, weil die Globalisierung global sein muss. (Our interests are global because globalization must be global.)“
Die vier “Flows (Strömungen, Bewegungen)“ der Globalisierung
Frieden und Ausgewogenheit auf der Welt kann nach Ansicht von Barnett dauerhaft nur durch die Globalisierung realisiert werden. Damit die Globalisierung “funktioniert” (fragt sich nur in welcher Hinsicht und für welchen Profiteur) müssen vier “Flows” vorhanden und gegeben sein.
Ein ungehinderter Strom von Einwanderern (vgl. hierzu Balkanisierung, Flüchtlinge aus Afrika und Nahost), der von keinem Volk, keiner Regierung oder keiner Institution verhindert werden darf. Interessanterweise sieht Barnett für die EU eine Verzehnfachung der Zuwanderung vor.
Ein ungehinderter Strom von Ressourcen (Erdöl, Erdgas, usw.), was wiederum den Bestrebungen der USA entspricht, sich weltweit die Rohstoffe zu sichern (Naher Osten oder auch Russland unter Jelzin). Barnett spricht explizit bei diesem Punkt davon, dass sich Rohstoffe nicht in den Händen von Staaten oder Völkern befinden dürfen, sondern vielmehr privatisiert und internationalisiert werden müssen. (vgl. hierzu auch die aktuelle Situation mit Russland, das Dank Putin den Ausverkauf der heimischen Rohstoffe an angloamerikanische Großkonzerne verhinderte und seitdem wieder auf der “Abschussliste des Westens” steht.)
Ein ungehinderter Strom von Krediten und Investitionen nach Innen (zu den Staaten und den Menschen, also die klasssische Schulden- und Zinsfalle) und ein ungehinderter Strom von Gewinnen nach Außen (vornehmlich wohl zu den USA und zu wenigen Einzelpersonen / -gruppierungen). Barnett sieht dabei den US-Dollar als elementaren Bestandteil dieses “Kreditkreislaufs” an und fordert, dass die Rohstoffe und Ressourcen per Kreditgewährung in US-Dollar gehandelt werden müssen, wobei den Staaten jedwede Steuerungmechanismen genommen werden müssen, damit die Erträge ungehindert (in Richtung der USA) fließen können.
Ein ungehindeter Strom US-amerikanischer Sicherheitstechnik und -kräfte in die regionalen Märkte (export of US–security services to regional markets), was letztlich gleichbedeutend damit ist, dass kein Staat und keine Regierung US-Militäreinsätze behindern, verurteilen oder ihnen mit Widerstand begegnen darf. Full Spectrum Dominance. [Anm. Zwiedenk: Ich vermute, dass hiermit vor allem auch eine allgemein verbindliche internationale Rechtsordnung gemeint ist, nicht zuletzt zum Schutz von (Auslands-) Investitionen. Staatliche Enteignungen wie in der SU oder in den Staaten der 3. Welt sind ein Alptraum für das globale Finanzkapital. Schöner ist es, wenn man den Steuerzahler als Schuldner hat und Regierungen, die der internationalen Rechtsordnung verpflichtet sind.]
Angela Merkel und die Neue Weltordnung, 04. Juni 2011, Evangelischer Kirchentag in Dresden
Flüchtlingsströme als Mittel zur Gleichschaltung
Barnetts beschreibt, dass das Endziel der Globalisierung die Gleichschaltung aller Länder auf der Erde ist. Jährlich sollen 1,5 Millionen Zuwanderer aus der Dritten Welt in Europa aufgenommen werden, um somit eine Vermischung der Ethnien und Rassen zu erreichen. Im Ergebnis soll damit eine Bevölkerung geschaffen werden, deren durchschnittlicher IQ bei 90 liegt – intelligent genug zum Arbeiten, einfältig genug, um keinen Widerstand zu leisten. [Anmerkung Zwiedenk: Die jährliche Aufnahme von 1,5 Mio Migranten nach Europa hat Barnett in der Tat angeregt, von einem durchschnittlichen IQ von 90 hat er allerdings vermutlich nie gesprochen, letzteres ist nach meinem Kenntnisstand weder belegt noch wahrscheinlich. Siehe: Die Legende von Mr Barnett]
Osterweiterung der NATO
Alle früheren eurasischen (Teil-) Staaten der Sowjetunion müssen nach Barnett Bestandteil der NATO werden. Zudem schreibt Barnett, dass die USA/NATO ein System von Sicherheitsabkommen mit allen Anrainerstaaten, die sich wirtschaftlich im Aufbruch befinden, an den asiatischen Küsten des Pazifiks schliessen muss (vgl. hierzu TPP, das pazifische Pendant zu TTIP). Sowie eine Allianz mit Indien, was wiederum zu weiteren Abkommen mit Staaten in Zentralasien und im Persischen Golf führen wird.
Ungehinderter Kapitalverkehr
Weder Staaten, noch Regierungen dürfen den “freien Kapitalverkehr” und den generierten Ertrag an seinem Rückfluss (be)hindern, damit es zu einer gegenseitigen Abhängigkeit der Länder kommt und sie somit nicht mehr autark bestehen können.
False Flag Operation
Barnett schreibt, dass es nötig sein kann einen neuen 11. September zu inszenieren, um alle Gegner der Globalisierung zu vernichten und dadurch eine weitere, tiefere Vernetzung aller Länder zu erreichen.
Islamismus als Feindbild
Der radikale Islamismus nimmt in Barnetts Theorie die Rolle des Gegners der Globalisierung ein. Ein Feindbild soll die Menschen vereinen und das eigene System (das der Globalisierung) als überlegen und besser darstellen. Aus diesem Grund wurde nach Barnett beschlossen, dass der Islam die Rolle des vereinigenden Feindbildes einnehmen soll.
Frieden durch Globalisierung
Für Barnett müssen alle bestehenden Ländergrenzen aufgelöst werden, um eine “Entschärfung der Unterschiede in den religiösen Auffassungen” zu erreichen. Diese Unterschiede sieht er als Ursache für Gewalt und den Ausbruch von Kriegen an, vergisst aber gleichzeitig zu erwähnen, dass sich insbesondere die USA Konflikte “gerne zu recht legt”, um damit dort ihre eigenen Interessen durchsetzen zu können.
Freihandelsabkommen
Bilaterale und regionale Freihandelszonen sind für Barnetts Theorie essentiell. NAFTA sieht er als Wegbereiter an, dessen Fortsetzung sich in TPP, TTIP, TISA, CETA und Co. manifestiert.
Gastarbeiter
Europas Demographie zwingt laut Barnett Europa dazu, immer stärker auf Gastarbeiter zurück zu greifen. Analog zu den USA soll sich Europa öffnen und zu einem “Einwanderungsland” werden. Etwaige Gegenströmungen (Politiker, die gegen Einwanderung sind oder Bürger [Pegida], die sich für eine kontrollierte Zuwanderung aussprechen) müssen nach den Aussagen Barnetts “zum Schweigen gebracht werden”.
Staatsschulden der USA
Die USA exportieren ihre Staatsschulden mit dem Instrument des US-Dollars als Weltleit- und -reservewährung. De facto lebt die USA auf Kosten der anderen Länder, in dem es Schuldscheine per Tastendruck generiert, die zur Bezahlung der Importgüter dienen. Also, (digitales) Nichts im Austausch für Waren.
Brechen des Widerstands
Für Barnett sind Kritiker von Zuwanderung und “Vermischung der Rassen und Kulturen (OT)“ Idioten, die sich der Erkenntnis verweigern, dass die ökonomische Logik immer als Sieger vom Platz gehen wird und nur sie die Menschen überzeugen kann. Diese ökonomische Logik bedarf aber der multikulturellen und multiethnischen Globalisierung, die dann für Barnett nur noch durch inneren Widerstand (aus dem Funktionierenden Kern heraus) aufgehalten werden kann. Und um diesen Widerstand gegen die Globalisierung zu verhindern, fordert er wortwörtlich: “Kill them!”
Conclusio
Soweit der Versuch, Barnetts Theorie etwas aufzudrösseln und den Kern heraus zu arbeiten. Wir sehen in dieser kurzen Aufstellung bereits zahlreiche Vorgaben, die inzwischen (teilweise) erfolgreich umgesetzt wurden oder sich in den finalen Umsetzungsphasen befinden. Es ist daher für mich von ganz entscheidender Bedeutung, dass wir erkennen, dass die Globalisierung in ihren jetzigen Form ein Instrument sind, das nicht zum Nutzen der Menschen “entwickelt” wurde, sondern zu deren Untersdrückung und Versklavung. TTIP, der Ukraine-Konflikt, das Verhältnis zu Russland, die Systempresse, das wohl bevorstehende Bargeldverbot, all das sind Ausflüsse, Umsetzungsmaßnahmen und Entwicklungen, die man nicht getrennt voneinander betrachten darf und die wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge bzgl. der Theorie Barnetts passen. Doch leider schließt sich das Fenster zum Widerstand immer mehr und immer schneller.
Quellen:
Thomas P.M. Barnett – Wikipedia
Thomas P.M. Barnett – The Pentagon’s New Map, deutsch: Der Weg in die Weltdiktatur
Thomas P.M. Barnett – Blueprint for Action, deutsch: Drehbuch für den 3. Wetkrieg
Thomas P.M. Barnett – Great Powers: America and the World After Bush
Thomas P.M. Barnett – Website
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Autor: Beitrag übernommen von konjunktion.info
[Anmerkungen Zwiedenk: Barnetts Thesen stammen aus dem 1. Jahrzehnt des 21. Jahrhundert, also etwa aus dem Zeitraum 2000 bis 2010. Heute, 2020, sind sie schon wieder leicht angestaubt, insbesondere, was die Rolle Chinas anbelangt, das Barnett noch kaum auf dem Schirm hat, das heute aber mit seiner eigenen Variante der Globalisierung, dem Konzept der ‘Seidenstraße’, mindestens eben so sehr einen Gegenspieler wie einen Teilnehmer am Projekt der (westlichen) Globalisierung darstellt.
Die zunehmende Verflechtung Chinas und der arabisch-islamischen Welt in die globalen Zusammenhänge und Finanzströme ohne (gänzliche?) Übernahme der westlichen Werte führt auch zu einer wachsenden Konkurrenz der vernunft-und ökonomie orientierten westlichen, archaisch-naturrechtlich orientierten nahöstlichen und konfuzianisch-kollektivistisch orientierten fernöstlichen Ideologien und Gesellschaftentwürfe.
Das grundlegende Ziel der Ausdehnung ‘westlicher Werte’ bis hin zu einer (so weit wie möglich) globalen kulturellen Hegemonie auf Basis ‘westlicher Werte’ mit sekundären regionalen Besonderheiten ist allerdings schon älter, auch der einstige ‘Chefdenker’ der US- Geostrategie, Zbigniew Brzeziński, spricht bereits davon in seinem Werk ‘Die einzige Weltmacht’. Denn mit der Kultur kommt auch das Recht und die durchgängig auf Privateigentum basierende Wirtschaftsordnung, und darum geht es wohl zuallererst, auch wenn natürlich in der Werbung für dieses Modell die Menschenrechte stets in den Vordergrund gerückt werden. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass Menschenrechte in den Hintergrund treten und bisweilen gar mit Füßen getreten werden, wenn ein gutes Geschäft winkt. Übrigens keineswegs nur die Rechte der Ärmsten, sondern gerne auch die des werteschaffenden Mittelstandes, z.B. in den Aufnahmeländern der Migrationsströme. Denn bei den Ärmsten der Armen ist ohnehin nichts zu holen – ganz im Gegensatz zum wertschöpfenden Mittelstand. Den abzuschöpfen, das ist das Ziel. Die Armen sind nur das Mittel zum Zweck.
Ein weiterer beachtenswerter Aspekt ist die Rolle und Bedeutung von Staaten. In der Geostrategie wird noch immer meist von den ‘nationalen Interessen’ bzw. von ‘geostrategischen Interessen von Staaten’ gesprochen. Angesichts des Umstandes, dass im Westen (im Gegensatz etwa zu China und einigen anderen Staaten) politische Macht und ökonomische Macht nicht in einer Hand liegen und de facto Staaten weitgehend ökonomischem Einfluss und daher den Mächten des globalen Finanzkapitals und der Eigner mächtiger globaler Konzerne unterliegen, sind Staaten eigentlich eher politische Werkzeuge dieser Lobbies. Die Überschrift dieses Artikels müsste daher eigentlich richtiger lauten: “Die Globalisierung als Schlüssel zur weltweiten Dominanz der auf Individualismus, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Privateigentum basierenden westlichen Werte-, Wirtschafts- und Rechts- Ordnung.”
Es gibt aber durchaus auch Bestrebungen von Staatsfunktionären, mehr Einfluss gegenüber der Wirtschaft zu gewinnen. Bonzen (Funktionäre) & Bosse arbeiten zwar zum einen Hand in Hand bzw. arbeitsteilig (Stichwort: Marionetten), bisweilen aber auch schon mal gegeneinander, insofern es zwischen diesen Gruppen Interessengegensätze und damit ein Tauziehen um Macht & Einfluss gibt.]
Titelbild: FEMEN Women’s Movement; Photo by Alexey Perkin / CC BY-SA
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