… und sich selbst als Lösung anbieten.
Die Zuhörer mit Bildern von einer heilen Welt anrühren, sie sodann durch das Heraufbeschwören apokalyptischer Visionen zum Schaudern bringen und im dritten Akt durch das unvermittelte Auftreten eines Retters oder einer rettenden Idee in letzter Sekunde läutern. Einer der Klassiker der Rhetorik, zumal der politischen, mit nicht ganz zufälligen Anklängen an die Griechische Tragödie. Fast alle Profis und Naturtalente machen es mehr oder weniger so. Schon immer.
Überzeugungsarbeit besteht zu 90% aus Propaganda, dem Zurechtmachen, Aufbereiten oder Schminken von Realität, der emotionalen Ansprache gerne mit Hilfe von Über- oder Untertreibung zur Beunruhigung oder Beschwichtigung und – zumal im politischen Kontext – der Präsentation einer Heil bringenden Gesamtlösung zum krönenden Abschluss & Höhepunkt des Vortrags. Und manchmal gibts als Bonus zwischen den Zeilen noch 10% sachliche Information.
Tiere machen es übrigens ebenso. Anschleichen (ich bin gar nicht da), Drohen & Zähne Fletschen (ich bin stark und gefährlich), Aufplustern (ich bin groß und biete Schutz). Der einzige Weg zur Wahrheit – oder sagen wir mal besser zur realistischen Einschätzung der Lage und der Dinge – besteht darin, sich über die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten einschließlich der eigenen Person Klarheit zu verschaffen. Und zwar möglichst nüchtern und realistisch.
The Panic – Run on the Fourth National Bank, No. 20 Nassau Street. Illus. in: Frank Leslie’s Illustrated Newspaper, 1873 Oct. 4, p. 67. [Public domain] , via Wikimedia Commons
Am besten, man beginnt bei sich selbst. Denn kennt man einen, kennt man alle – zumindest im Groben. Einmal abgesehen von dem fundamentalen biologischen Gegensatz zwischen aggressivem, neudeutsch ‘bösem’ Mann & friedfertiger, neudeutsch ‘guter’ Frau – die ja bekanntlich von unterschiedlichen Planeten abstammen, bevor es sie hierher nach Irdisch-Jammerthal verschlagen hat – und einigen diesen Gegensatz reflektierenden Instinkten sind Menschen sich nämlich trotz anderslautender Gerüchte ansonsten im Grundsatz ziemlich ähnlich, jedenfalls was ihre grundlegenden Reaktionen auf die Zumutungen des Daseins anbelangt. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch individuelle Begabungen, Sozialisation, Erfahrung sowie durch die Koordinaten ihrer jeweiligen aktuellen Position im sozialen Gefüge und die daraus sich ergebenden Interessen, Bewertungen und Perspektiven. Zusammen genommen ist all das vermutlich die Basis unseres Bewusstseins.
Stets geht es dabei auch um die Alternativen ‘Angriff’ oder ‘Flucht’ auf der einen und ‘Standhalten’ auf der anderen Seite. Mit anderen Worten um ‘Bewahren’ oder ‘Verändern’, also um die Frage, ob man bzw. wer daran glaubt, besser mit einem ‘weiter so wie bisher’ zu fahren oder ob man bzw. wer daran glaubt, seine Situation und Aussichten verbessern zu können, wenn ein Wandel erfolgt. Hierbei kommen verschiedene Dinge zusammen: Erfahrungen, Einstellungen, Erwartungen und weiteres mehr. Je weniger man zu verlieren hat, desto mehr steigt die Bereitschaft, etwas zu riskieren. ‘Wer wagt, gewinnt’ oder ‘die Hoffnung stirbt zuletzt’ waren dabei schon häufig sich selbst erfüllende Prophezeihungen. Auf diese oder jene Weise.
Dichtung & Wahrheit, Mythen & Medien
[Ergänzung – Überarbeitung eines Artikels vom 2015-06-25 in ‘neuland’]
Kommunikation und Information und damit auch die Medien – Lei(d)tmedien wie alternative – sind in erster Linie interessengesteuert. Das heißt, dass Kommunikation primär Interessen und Ziele verfolgt und sich nicht primär an der Wahrheit orientiert oder gar ihr verpflichtet ist. Dies wird besonders deutlich, wenn es um elementare Dinge wie um Leben & Tod, Macht, Liebe & Reputation (Ehre, Selbstwert) geht: Es wird nie so viel gelogen wie vor dem Krieg, vor der Wahl und nach der Jagd. Vor, während und nach dem Akt könnte man vermutlich noch hinzufügen … 😉
Dennoch kann es in Ausnahmefällen vorkommen, dass man sich etwa im Rahmen eines Gespräches darum bemüht, die Wahrheit oder jedenfalls Annäherungen an die Wirklichkeit zu Tage zu fördern. Das ist aber ein Sonderfall von Kommunikation und passiert immer dann, wenn es im Interesse der Beteiligten liegt, tatsächlich einen fairen Ausgleich von Interessen zustande zu bringen oder Wissen zu erlangen. Denn Wissen ist Macht und also ein Instrument, die eigenen Interessen durchzusetzen. Voraussetzung und auch ein Kennzeichen für eine derartige, um Wissen und Erkenntnis bemühte Kommunikation ist, dass man dem Gegenüber zuhört und sich darum bemüht, ihn und seine Argumente zu verstehen. Und dass man bereit ist, sich selbst und die eigenen Argumente zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu korrigieren.
Faustregel: Bei Gesprächen oder Diskussionen, die nicht nur auf der Sachebene, sonder auch auf der persönlichen Ebene konfrontativ verlaufen, in denen man sich streitet oder gar beschimpft, einander nicht zuhört oder sich auch nur subtil gegenseitig in die Pfanne haut, geht es praktisch immer – und je hitziger es zugeht, umso ausschließlicher – um Interessen. In Gesprächen, die freundlich und vertrauensvoll verlaufen, auch wenn die Positionen unterschiedlich sind, geht es hingegen oft um Verständigung als Basis für einen Interessenausgleich und damit um so etwas wie ‘eine gemeinsame Wahrheit’. Aus Diskursen letzterer Art gehen alle Beteiligten mit einem guten Gefühl und einem Erkenntnisgewinn heraus – und sei es auch nur, dass man die Position des Gegenüber besser versteht.
Für Zeitungsartikel, Nachrichten und Funk- und Fernsehberichte in den Medien gilt entsprechendes. Und praktisch immer, wenn einer allein der Buhmann ist, sind mediale Mythen und Märchen im Spiel …
Link: Medien und ihre Macht der Manipulation (rhetorik.ch)
Titelbild: Bundesarchiv, Bild 183–19400-0029 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
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