Kurzübersicht, Pro & Contra, Hintergrundinformationen, Linksammlung
Argumente Pro und Kontra Migrationspakt
Befürworter sagen: ‘Migration war schon immer […] eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung’. So heißt es im ‘Global Compact for Migration’ gleich zu Beginn des Kapitels über ‘Vision und Leitprinzipien’. Ökonomische Überlegungen und Interessen sind also eines der Hauptmotive der Förderung von Migration. In der Tat erzeugt Migration Umsätze, Wachstum und Profit. Zum einen, indem sie als ‘migration to jobs’ Arbeitskräfte in den technologisch hoch entwickelten, aber geburtenschwachen Industrie- und Hochlohnländern verfügbar macht. Hohe Transferleistungen von Migranten an die Familie in der Heimat sorgen zudem für eine gezieltere wirtschaftliche und kulturelle Anbindung der Entwicklungsländer an die entwickelte Welt, als dies nach den Erfahrungen der letzten Jahre durch staatliche Entwicklungshilfe möglich ist.
Auch Migration in die Sozialsysteme (migration to welfare) generiert Wachstum und Profit, denn die Versorgung bedürftiger Migranten in den europäischen Sozialstaaten produziert ein Vielfaches der Umsätze, die in den Heimatländern anfielen. Migration in die Sozialsysteme ist ein historisch neues Phänomen. Erste Ansätze von Sozialstaaten gibt es überhaupt erst seit 150 Jahren als Reaktion auf die industrielle Revolution, die aufgrund der Trennung des Menschen von der selbst bewirtschafteten Scholle, mit der er seit der Sesshaftwertung verbunden war, das Ende seines Status als autonomer Selbstversorger (im Rahmen einer familiären Sippe) bedeutete. Dauerhafte weitgehende Vollversorgung mit dem Lebensnotwendigen in Wohlfahrtsstaaten gibt es sogar erst nach dem 2. Weltkrieg und auch nur in einigen wenigen skandinavischen und west- und mitteleuropäischen Staaten. Volkswirtschaftlich ist ‘migration to welfare’ allerdings kontraproduktiv und für die Integration problematisch, da sie das Prinzip des wechselseitigen Geben & Nehmen konterkariert, das eine Gesellschaft ausmacht, indem es den Menschen gemeinsame Erfahrungen miteinander ‘auf Augenhöhe’ ermöglicht.
Befürworter verweisen darauf, dass Neugier, Abenteuerlust und Entdeckerdrang die Entwicklung vorangebracht und immer wieder für Höchstleistungen und Innovationen gesorgt haben. Eng verbunden mit diesen Antrieben oder sogar Ausfluss davon sind jedoch auch Gier, Rivalität und Konkurrenz unter den Menschen, Völkern und Kulturen, die immer wieder aufs Neue für Verteilungskämpfe gesorgt haben und sorgen. Diese Kämpfe kannten stets Sieger und Verlierer. Aus humanistischer Sicht eines Friedensfreundes ist es also durchaus ein zweischneidiges Schwert, in einer hochgradig verteilten Welt einen Wettbewerb etwa zwischen archaisch- tribalistischen und postmodern- universalistischen Kulturen zu entfachen. Man kann diese Sichtweise durchaus auch als Glorifizierung des Sozialdarwinismus betrachten.
Ein weiteres Argument der Befürworter von Migration ist das zunehmende Misstrauen, mit dem internationale Gremien und Institutionen und europäische Eliten dem Nationalstaat europäischer Prägung begegnen. Der Chauvinismus (übersteigerter Nationalismus) von Nationalstaaten und ihr Anspruch auf weitgehende kulturelle und zumindest relative ethnische Homogenität tendiere zu Rassismus und Ausgrenzung und wird nicht nur historisch für die beiden Weltkriege verantwortlich gemacht, sondern auch in der Gegenwart als Hindernis für ein Zusammenwachsen der Welt im Sinne der Globalisierung. Dieses Narrativ wird allerdings von denen bezweifelt, die nicht finstere Thesen einfacher Menschen, Bürger und Völker für die Ursache von Hass, Gewalt, Rassismus und Kriegen halten, sondern fragwürdige Motive sowie Gier und Machtgier von Eliten. ‘Linke Kritiker’ dieser These sehen im liberalen und durchlässigen Nationalstaat ein Synonym für den Sozialstaat, dessen Erhalt nötig sei, solange die globalen ökonomischen Unterschiede noch so groß seien.
Das entscheidende ist, dass der Nationalstaat weitgehend identisch ist mit dem Sozialstaat. […] ” (Oskar Lafontaine, phoenix, 23.02.2018 | Ersatzlink)
Kritiker des Paktes bemängeln die pauschale, ausschließlich positive Haltung der UN zu Migration, die als ‘Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung’ beschrieben wird. Hingegen gehe der Pakt nicht auf die Probleme und Gefahren ein, die mit Migration verbunden seien und kümmere sich einseitig um die Ansprüche, Rechte und Belange der Migranten, nicht aber um die Interessen und Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung im Zielland.
Kritiker aus dem linken Spektrum sehen Massenmigration primär als sichtbaren Ausdruck globaler, ökonomischer Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen. Diese Disparitäten verschärften sich noch, wenn es zur Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte kommt. Während die Wirtschaft profitiert, tragen die Migranten und einfachen Bürger gleichermaßen die Lasten: Bei qualifizierter Zuwanderung in Form von Lohndruck und Konkurrenz auf dem Arbeits- bzw. Wohnungsmarkt (und Heiratsmarkt!), bei unqualifizierter Zuwanderung zusätzlich in Form hoher Belastungen für die Sozialsysteme (Ziel 15). Migration sei Umverteilen von Armut statt Teilen von Reichtum nach dem Prinzip ‘Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren’. Teilen von Reichtum hingegen bedeute Friedenspolitik statt imperiale oder neokoloniale Ambitionen, faire Wirtschafts- und Handelspraktiken sowie Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort. (Siehe ‘Der neokoloniale Pakt’, ‘Karawane der Migranten’). Was nottue, sei kein Migrationspakt, sondern ein Marshall- Plan für Afrika und andere die arme Länder der Welt.
Konservative und patriotische Kritiker lehnen den Paradigmenwechsel ab, den der Pakt darstelle: Förderung von Migration statt Begrenzung von Migration. Der Unterschied zwischen Flucht (temporäre Aufnahme), Armuts- und Wirtschaftmigration (keine Aufnahmeberechtigung) und regulärer Migration (Zuwanderung auf Dauer) werde verwischt und aus ‘Illegalität’ werde ‘Legalität’ (‘Spurwechsel’). Sie weisen auf die enormen Kosten hin (derzeit pro Jahr ca. 50 Mrd Euro in Deutschland), die bei Massenzuwanderung in die Sozialsysteme für Versorgung (Ziel 15) und Integration (u.a. Ziele 16, 18) für Menschen anfallen, die nie etwas zu diesen Systemen beigetragen hätten. Dies stelle ein ‘bedingungsloses Grundeinkommen’ für Migranten dar, eine Bevorzugung gegenüber der einheimischen Bevölkerung wie auch bei der Wohnungsversorgung und bei den Nebenkosten, die für Migranten häufig pauschal vom ‘Amt’ übernommen werden (?).
Ein gewaltiges Problem stellten auch die Verwerfungen und Gefahren für die einheimische Bevölkerung hinsichtlich Terror, Kriminalität und Gewalt dar, die von kulturfremden, archaisch, tribal und oftmals gewaltaffin sozialisierten alleinreisenden jungen Männern aus Kriegs-, Krisen und Elendsgebieten ausgehen, die einen Großteil der Zuwanderung nach Europa ausmachen und sich im Gastland häufig in Männergruppen zusammenfinden. Dies führt zu einem Frauenmangel [2] [3] [4] in den jungen Jahrgängen, aus dem sich Konkurrenz und Rivalität unter jungen Männern und Gefahren für Frauen ergeben. Auch die einsickernde religiöse Intoleranz, das archaische Frauenbild und die Gefahr der Bildung von Parallelgesellschaften bereiten Probleme (siehe Ziel 19). Der enorme Zustrom kulturfremder Migranten sowie die hohen Geburtenraten der Zuwandererfamilien im Vergleich zu den niedrigen Reproduktionsraten der indigenen Bevölkerung führe zu einer allmählichen Verdrängung der autochtonen Bevölkerung. Generell sei Einwanderung in die Sozialsysteme kontraproduktiv für Integration oder Assimilation.
All diese Fakturen ließen einen Clash of Cultures, eine Verrohung des öffentlichen Lebens und einen Verfall der Sitten befürchten, der eine Destabilisierung von Staat und Gemeinwesen in seiner bisherigen Form und eine schleichenden Entfremdung, den allmählichen Verlust von Kultur, Identität, Vertrautheit und sozialer Sicherheit in der aufnehmenden Gesellschaft und ein zunehmendes Gefühl des Fremdseins im eigenen Land zur Folge habe.
Befürworter des Paktes weisen auf die unteilbare Menschenwürde und die allgemeinen Menschenrechte hin, die für alle Menschen gelten und auf die humanitären Verpflichtungen zur Hilfe für Menschen in Not, die sich daraus für alle Staaten der Staatengemeinschaft ergeben (u.a. Ziele 7, 8, 10, 14, 15, 23). [Anmerkung d. Verf.: Gilt diese Verpflichtung nicht auch für diejenigen Menschen in Not, die daheim bleiben? 8 Mio Daheimgebliebene, zumeist Frauen und Kinder, sterben jährlich an Unterernährung!] Sie erhoffen sich vom Pakt eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit zum Wohle der Migranten (u.a. Ziele 7, 8, 10, 14, 15, 23).
Sie argumentieren, dass hohe rechtliche und soziale Standards, wie sie in Deutschland bereits gelten und umgesetzt sind, für alle Staaten der Staatengemeinschaft verpflichtend werden bzw. andere Staaten verpflichtet seien, sich diesen Standards nach Kräften anzunähern. Das mindere den Migrationsdruck auf Deutschland, da so mehr Zielländern mit guten Standards als Alternative zu Deutschland zur Verfügung stünden. Da diese Standards hierzulande bereits weitestgehend verwirklicht seien, bestehe in Deutschland kein weiterer Handlungsbedarf, in vielen anderen Ländern hingegen schon.
Kritiker halten diese Argumentation allerdings für unrealistisch, denn in kaum einem Land gibt es nach den Erfahrungen seit der Massenzuwanderung und dem deutschen Alleingang in 2015 überhaupt (noch) einen vergleichbar ausgeprägten politischen Willen in der Bevölkerung pro Migration oder zu einer multikulturellen Gesellschaft, wie das in Deutschland in maßgeblichen Teilen der Gesellschaft nach wie vor der Fall ist. Die Bundesregierung scheitere mit ihrer ‘europäischen Lösung’, die ähnliche Ziele vorsah wie der Pakt, u.a. auch eine gerechtere Verteilung der Zuwanderer auf alle EU- Länder, seit 3 Jahren am Widerstand der EU-Partner. Da sei es wenig wahrscheinlich, dass ‘internationale Lösungen’ erfolgreicher seien. Selbst finanzstarke Länder wie Österreich oder Dänemark reduzieren ihre Leistungen, um Migranten keine Anreize zu bieten.
Den meisten anderen potentiellen Zielländern, die dem Pakt beitreten wollen, mangelt es ohnehin an den wirtschaftlichen Möglichkeiten, Migranten eine Vollversorgung nach deutschem Vorbild zu gewähren. Der deutsche Sozialhilfe- bzw. Hartz 4- Satz liegt über dem Mindest- oder gar Durchschnittslohn vieler anderer Länder. Die Sogwirkung nach Deutschland bleibe bestehen und werde durch eine günstige Gestaltung der Migration noch einmal erheblich verstärkt. Am Ende stehe zu befürchten, dass Deutschland das einzige Land oder eines von ganz wenigen sei, das den Pakt nach Punkt und Komma erfülle, während sich sonst keines daran halten werde. (Fleischhauer)
Wenn Welten aufeinanderprallen: Heiko Maas (SPD) vs. Gottfried Curio (AfD) in der Debatte über den Migrationspakt
Konservative Befürworter verweisen auf die im Pakt geforderte internationale Zusammenarbeit bei der ‘Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, Ihre Herkunftsländer zu verlassen’ (Ziel 2), beim Grenzmanagement (Ziel 11) und bei der Eindämmung des Schlepper- und Schleuser- Unwesens (Ziel 9). Die Selbstverpflichtung der Staaten, alle Bürger und Migranten mit Ausweisdokumenten zu versorgen (Ziel 4), erhöhe die Rechtssicherheit und erleichtere eine Rückkehr der Migranten in die Heimat oder Rücknahmevereinbarungen mit den Herkunftsländern.
Befürworter des Multikulturalismus schwärmen von Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz und von einer lebendiger werdenden Gesellschaft aufgrund der Energie und des Elans, den die meist jungen und oftmals gar jugendlichen Zuwanderer einbrächten. Die ungewohnten fremden Sitten, Bräuche und Gewohnheiten, andere Sichtweisen und Haltungen und hierzulande wenig bekannte Kenntnisse und Fähigkeiten von Menschen aus anderen Kulturkreisen stellten eine Bereicherung dar.
Kritiker bemängeln, dass die Unverbindlichkeit des Vertrages (Präambel, 7) auf Dauer nicht gewährleistet sei, da Völkerrecht Gewohnheitsrecht sei und das ‘Soft Law’ des Migrationspaktes im Zuge von Gerichtsurteilen, die sich auf den Pakt beriefen, nach und nach ins ‘Hard Law’ einsickern werde. Des Weiteren verweisen sie auf die geringen beruflichen Qualifikationen, die die meisten Zuwanderer mitbrächten.
Aufgrund des Zieles 17 (sowie ‘Vision’, Abschnitt 10 und 15,j) sehen Kritiker die Pressefreiheit in Gefahr. Unter diesem Punkt wird die ‘Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration’ eingefordert. Wer entscheidet darüber, was nachweisbare ‘Fakten’ sind und was ‘Diskriminierung’ ist? Die Erfahrungen der vergangen Jahre in den Debatten über Flüchtlingskriminalität, #metoo, Putin, Trump oder Alltagsrassismus sind wenig ermutigend, dass eine aufgeklärte, liberale Berichterstattung störungsfrei gewährleistet ist.
Die Bundestagsdebatte zum globalen Pakt für Migration am 29.11.18. Die Abgeordneten stimmten in namentlicher Abstimmung mit 327 Stimmen gegen 153 Stimmen bei 141 Enthaltungen (Welt) für einen Antrag, der die Bundesregierung zur Zustimmung zum Pakt auffordert, aber auch dazu, sicherzustellen, dass die nationale Souveränität dadurch weiterhin nicht beeinträchtigt werde und keine Rechtsverbindlichkeit entstehe. »Abstimmungsergebnis. – Einen Antrag der AfD Fraktion am Folgetag, dem 30.11.2018, zur Abgabe einer Protokollerklärung zur völkerrechtlichen beziehungsweise rechtlichen Unverbindlichkeit des „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ für die Bundesrepublik Deutschland durch die deutsche Bundesregierung bei der Unterzeichnung des Paktes im Dezember in Marrakesch lehnte der Bundestag mit 541 gegen 89 Stimmen ab. »Debatte | »Abstimmungsergebnis | »Aktuelle Stunde zum UN-Regelwerk für Migration 19.04.2018 (Video)
Internationale Akzeptanz des Paktes
19 Länder, und zwar nahezu ausschließlich Industrie- und Sozialstaaten, die bislang und auch in absehbarer Zukunft potentielle Zielländer waren bzw. wären, haben entweder angekündigt, dem Pakt nicht beizutreten, den Wunsch nach Änderungen geäußert oder erhebliche Bedenken angemeldet (Quelle). Dazu gehören einige der bedeutendsten nicht- europäischen Staaten, nämlich die klassischen Einwanderungsländer USA und Australien sowie China, Japan, Israel, Südkorea, alle Nachbarländer Deutschlands mit Ausnahme von Frankreich und Luxemburg, nämlich Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande, Tschechien, Dänemark, Polen, ferner Italien und Schweden sowie die weiteren europäischen Länder Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Slowenien. Gut möglich, dass in den kommenden Wochen noch mehr Länder folgen werden.
1. Kurzvorstellung des Globalen UN- Migrationspaktes (Seite 1)
2. Argumente Pro & Contra Migrationspakt (Seite 2)
3. Metakritik am Migrationspakt (Seite 3)
4. weitere Materialien & Linksammlung (Seite 4)
Links:
Globaler Migrationspakt (Entwurfstext deutsch) (Ersatzlink)
Global Compact for Migration (Entwurfstext englisch) (Ersatzlink)
Globaler Pakt für Flüchtlinge (Entwurfstext deutsch) (Ersatzlink)
Global Compact on Refugees (Entwurfstext englisch) (Ersatzlink)
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