I. Der Mensch – ein Dreiklang aus Natur, Kultur und Erfahrung.
Der Mensch ist ein ‘Zwischenwesen’. Ein Dreikang aus Natur, Kultur und individueller Erfahrung & Reflexion. Die Mannigfaltigkeit und Dialektik menschlicher Existenz wird je nach Kultur, Religion oder Philosophie auch mit der Dreifaltigkeit von ‘Körper, Seele, Geist’, ‘Materie, Spiritualität, Vernunft’, ‘Sein, Wille, Bewusstsein’ oder vergleichbaren Triaden beschrieben. Je harmonischer diese Grundelemente menschlichen Daseins im individuellen und gesellschaftlichen Resonanzraum zusammenklingen, desto mehr ist der Mensch mit sich und der Gesellschaft im Reinen.
Die Natur des Menschen ist seine materiale Beschaffenheit, also Leib, Gene, Hormone, neuronale Genese und Disposition. Daraus resultieren naturgegebene Bedürfnisse, Antriebe und Instinkte ebenso wie individuelle Neigungen, Begabungen und Talente. Die natürlichen Bedürfnisse dienen der ‘Reproduktion’, dem Selbst- und Arterhalt. Das beinhaltet die Nahrungbeschaffung und -aufnahme, den Schutz vor Witterung, die Abwehr von Feinden und Konkurrenten sowie die Weitergabe der Gene durch sexuelle Vereinigung mit einem gegengeschlechtlichen Partner.
Als instinktoffenes, d.h. nicht ausschließlich über angeborene Instinkte gesteuertes, lernfähiges und geselliges Rudel- oder Hordenwesen sucht der Mensch nach Orientierung bei der Gestaltung seines Lebens innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft. Neugier und Weltoffenheit, der Hang zum Nachmachen und Imitieren, aber auch Kreativität und Erfindergeist sind ebenso in ihm veranlagt wie das Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit und Identität durch das Aufgehobensein in einem Kontinuum vertrauter Bezüge und Räume. Selbstfindung und Selbstvergewisserung erfolgt durch intuitive und situative Erweiterung bzw. Abgrenzung gemäß gemachter Erfahrungen und eine Unterscheidung zwischen Vertrautem, Halbvertrautem und Unvertrautem.
Im gemeinschaftlichen Existenzkampf, motiviert vom individuellen Streben nach Erfüllung und Glück, konstituieren sich Regeln und Normen, Sitten und Bräuche, Riten und Kulte, die Fortbestand und Zusammenhalt der Gruppe und bei entsprechendem Freiraum Entfaltung des Individuums sichern und befördern. Dabei ist das Entwickeln und Verwerten aller Ressourcen ebenso essenziell wie die Spezialisierung auf Tätigkeiten und Aufgaben gemäß den jeweiligen Gegebenheiten, Voraussetzungen und Talenten. Das erweiterte Regelwerk zur inneren Orientierung und äußeren Verhaltenssteuerung nennen wir Kultur. Die Determinanten von Kultur sind bereits in den aufs Eigenwohl wie den aufs Gemeinwohl oder das Wohl eines Gegenüber bezogenen sozialen Instinkten wie Sexualität, Rangstreben, Mutterinstinkt, Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung, Nähe- und Distanz etc. angelegt und vorgegeben, darüber hinaus entwickelt sie sich aus weiteren spezifischen internen und externen Einflüssen und Erfordernissen wie individuellem Streben und Begehren, sozialen Hierarchien und Netzwerken, Konkurrenz-, Umwelt- und sonstigen Rahmenbedingungen.
Aus dem Zusammentreffen der natürlichen Bedürfnisse und Begabungen, der Bedingungen und Regeln des Zusammenlebens in der Gruppe sowie der äußeren Realität und den daraus sich ergebenden Wirkungen und Wechselwirkungen erwachsen Erfahrung (try and error) und durch Verarbeitung dieser Erfahrungen in Form von Reflexion Vernunft, die rekursiv auf die Gestaltung des Daseins des Einzelnen wie der Gruppe Einfluss nehmen. Per Fortpflanzung gemäß biologischer Evolution bzw. gespeichert im individuellen, gesellschaftlichen, kulturellen oder gar menschheitsgeschichtlichen Gedächtnis, einst mit Hilfe von Symbolen und Mythen, heute auch in Form von Schriften zu religiösen und philosophischen Überlegungen, Erkenntnissen, Interpretationen und Überzeugungen, sind Natur, Kultur, Erfahrung und Vernunft in der Zeit aufgehoben und bilden Wesen und Bewusstsein des Menschen.
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II. Vom Mutterinstinkt über Patriotismus zu globaler Verantwortung
Ein Mensch wirkt in dem Umfeld, in dem er Interessen, Fähigkeiten und Einfluss hat. Wenn er klug & ursprünglich ist, macht er es im Einklang mit ‘Natur, Kultur und Erfahrung’. Denn die Welt und die Menschen sind, wie sie sind und sich von Generation zu Generation entwickeln. Jeder Mensch kann sich ändern, aber kein Mensch kann die Menschen von Grund auf ändern.
Der Wirkkreis ist zunächst die Familie, die Sippe, der Clan, die Nachbarschaft, der Freundeskreis, das berufliche Umfeld und das Dorf. Alles, was darüber hinaus geht, ist in einer modernen Massengesellschaft notwendig institutionalisiert: Die lokale, regionale und nationale Politik und Verwaltung und darüber hinaus der internationale und zuletzt der globale Bereich. So wachsen wir, sicher gegründet auf im Intimsten erworbenem Urvertrauen, über Eltern- Geschwister- Nächsten- und Heimatliebe zum Patrioten und Kulturbewahrer und schließlich darüber hinaus zum Weltbürger und zum Bewunderer und Bewahrer der Schöpfung heran.
Zusätzlich gibt es, parallel dazu oder einander überschneidend und übergreifend, weitere Wirkkreise, Zugehörigkeiten und Gemeinschaften wie Klassen, Berufs- oder Interessengemeinschaften, auch Netzwerke und Seilschaften etc.
Je besser mein Feld bestellt ist, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich darüber hinaus. Habe ich Urvertrauen gefasst, entwickelt sich Bindungs- und Beziehungsfähigkeit und ich kann in der Familie positiv wirken. Ist die Familie intakt, werden Energien frei für Nachbarn, Freunde und Beruf. Läuft es im engeren Umfeld gut, kann man einzeln oder gemeinsam positiven Einfluss auf das erweiterte Umfeld nehmen, auf die örtliche, von da aus über Vertreter oder Institutionen auf die regionale und später nationale Gestaltung und Politik und irgendwann womöglich gar in den internationalen und globalen Bereich vordringen. So weitet sich der Blickwinkel von der natürlichen, angeborene Froschperspektive zur Adlerperspektive, ohne dass die Froschperspektive dabei verloren geht, gehen darf (denn den Großteil unseres Alltagslebens verbringen wir als ‘Frosch’, nämlich im unmittelbaren Bezug zu anderen Menschen), sondern indem sie in der Adlerperspektive aufgehoben bleibt, im besten Hegelschen Sinne, nämlich bewahrt, relativiert und zu einer ganzheitlichen Sicht erweitert.
Und: Ja, es gibt auch Ebenen jenseits der gesetzlich geregelten staatlichen oder öffenlich-rechtlichen Bereiche, diverse Formen und Arten von informellen Gegengewichten dazu, etwa Religionen, Interessenverbände oder NGO’s. Hier sollte eine Balance in Form einer sich gegenseitig befruchtenden und ergänzenden, einander vervollkommnenden Dialektik angestrebt werden. Es ist darauf zu achten, dass das eine nicht das andere über den Tisch zieht und seinen Zwecken gefügig macht.
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III. Ein jeder bestelle sein Haus!
Das ist erstmal das grundlegende Prinzip und zwar ist es das bottom-up-Prinzip. Wichtig dabei ist, dass ständig eine Kontrolle der übergeordneten Ebene durch die untergeordnete Ebene gegeben ist. In der Praxis kommen dann noch weitere Mechanismen wie etwa die Gewaltenteilung sowie grundsätzliche Ideen wie der kategorische Imperativ und die allgemeinen Menschenrechte ins Spiel.
Je mehr man sich verzettelt in Bereichen, in denen man geringen Einfluss und wenig Kenntnis hat, je mehr Stufen jemand überspringt, ohne sie zuvor in eine gute Ordnung gebracht zu haben, desto mehr übernimmt er sich und desto weniger kann er nachhaltig erreichen.
Würde jeder vor seiner Haustüre kehren und gewissenhaft den Weg gehen, der hier beschrieben ist, wäre die Welt in Ordnung, soweit sie überhaupt in Ordnung sein kann. Ein jeder sollte also erstmal einen guten Job machen an dem Platz, an dem er ist. Machen Eltern und Lehrer einen guten Job, kommen Menschen dabei heraus, die mit sich im Reinen sind. Aus manchen davon werden verantwortungsbewusste Lokalpolitiker. Die Fähigeren unter ihnen steigen auf zu klugen Politikern im regionalen, nationalen oder gar internationalen Bereich und schließlich gibt es einen erlesenen Kreis von Menschen, die eine weise, globale Politik gestalten. Nur in dieser Abfolge – Schritt für Schritt – führt der Weg eines Menschen vom Urvertrauen über Familiensinn und Patriotismus hin zum aufgeklärten (statt naiv- ideologischen) Weltbürgertum.
Mehr kann man nicht tun und mehr erwartet kein Gott von einem Menschen, wenn es ein Gott ist, der den Namen verdient. Wer etwas anderes erzählt, ist ein Schwätzer!
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P.S.: Dies ist natürlich eine idealtypische Darstellung. Im wirklichen Leben ist der Weg zu Erfüllung und Vollkommenheit von Beginn an übersät mit Fallstricken, Hindernissen und Signalen, die in die Irre führen. Tun wir unser Bestes, diese Herausforderungen zu meistern!
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Neugier und Fremdenfurcht (neuland)
Grafiken:
Wassily Kandinski [Public domain], via Wikimedia Commons
Jacques-Louis David [Public domain], via Wikimedia Commons
Interne Notiz
Folgendes sollte gelegentlich noch eingearbeitet werden:
Der Mensch als geselliges Hordenwesen ist bei Geburt völlig hilflos und idR auch später auf Hilfe & Loyalität angewiesen
Der Staat ist eine erweiterte, institutionalisierte Familie
Loyalität in einer modernen Gesellschaft ist abgestuft (mehrschichtig) und wechselseitig.