Kollega
Die erste Generation der Einwanderer aus der Türkei kam seit 1961 aufgrund eines Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei nach Westdeutschland. Dabei handelte es sich im klassischen Sinne um Gastarbeiter, denn die Engagements waren zunächst auf 2 Jahre befristet. Ein dauerhafter Aufenthalt im Gastland war nicht vorgesehen.
Entgegen heute gerne verbreiteter Narrative wurde das Anwerbeabkommen nicht auf Wunsch Deutschlands geschlossen. Aus deutscher Sicht gab es keine ökonomische Notwendigkeit dafür, denn der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg war weitgehend abgeschlossen. Zudem gab es bereits Anwerbeabkommen mit Italien, Griechenland, Spanien, Portugal und einigen weiteren Ländern. Jedoch galt der deutsche Arbeitsmarkt als weiterhin aufnahmefähig und es gab Bestrebungen in Teilen der Politik und in der Wirtschaft, durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte die Lohnsteigerungen zu dämpfen sowie zusätzliche Produktionskapazitäten vor allem für Exporte zu schaffen.
Tatsächlich ging die Initiative zum Anwerbeabkommen von der Türkei aus, die sich davon einen Ausgleich des Handelsdefizites mit Deutschland, Devisen, eine Linderung der Arbeitslosigkeit daheim und den Erwerb von know how für die eigene Wirtschaft durch die Rückkehrer versprach und die zudem in die EWG drängte. Die USA unterstützen diesen Wunsch nachdrücklich, um die Türkei als wichtigen Stützpfeiler der NATO- Südostflanke stärker an den Westen zu binden und ökonomisch zu stabilisieren. (Siehe dazu einen Beitrag bei Tichys)
Bei diversen Fabrik-Jobs hatte ich mit etlichen von ihnen zu tun. Es waren anständige, bescheidene, fleißige und sehr kollegiale Männer. Aufgrund der Trennung von zu Hause und der hier fehlenden Familie fühlten sie sich im Privatleben allerdings oft einsam und träumten das ganze Jahr über vom Urlaub daheim.
Familiennachzug
Mit den Jahren gewöhnte man sich an das Leben in Deutschland und vor allem das vergleichsweise gute und gesicherte Einkommen und bei vielen kam der Wunsch auf, sich für längere Zeit oder gar auf Dauer hierzulande niederzulassen und die Familie nachzuholen. Auch für die Kinder könnten sich ja hier interessante Perspektiven für Ausbildung & Beruf ergeben.
Mit dem Familiennachzug begannen dann aber auch die Probleme, weil damit nun verstärkt Kultur und familiäre Traditionen auf den Prüfstand kamen. Etliche türkische Familien schätzten die aufgeklärte Lebensart ihrer neuen Heimat und assimilierten sich weitgehend, oft befördert durch die Kinder, die sich aufgrund der westlichen Einflüsse und Freizügigkeit hier von familiären und kulturellen Traditionen emanzipierten. Andere wählten einen Mittelweg und versuchten, das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden und zu versöhnen, Aufklärung & Tradition, Vernunft & Instinkt. Etliche aber blieben auch stark traditionell geprägt. Vor allem viele Frauen nahmen nicht zuletzt auf Wunsch ihrer Männer kaum am gesellschaftlichen Leben teil und die Töchter wurden – oftmals zu ihrem Leidwesen – von einer Teilnahme abgehalten. Diese familäre Abschottung behinderte Integration und Verständigung.
Deutschkurs für Türken – Ladykracher (Anke Engelke, Satire)
Die immer weiter anwachsende türkische Community – oftmals im Wesentlichen auf einige wenige städtische Bezirke konzentriert, in denen es auch für größere Familien noch erschwinglichen Wohnraum gab – bei zugleich relativ geringer gesellschaftlicher Teilhabe insbesondere der weiblichen Familienmitglieder, führte zunehmend zur Ausbildung von Ungleichgewichten und parallelen Strukturen. Darüber hinaus kam es häufig zu Spannungen zwischen einheimischen und türkischen männlichen Jugendlichen und jungen Männern aufgrund von Rivalitäten und Konkurrenz um einheimische Mädchen und Frauen. Denn ein Großteil der türkischen Mädchen musste ja daheim bleiben und war somit auf dem Partnerschaftsmarkt gar nicht vertreten.
Die hintertriebene Integration
Dies und anderes wie das immer extremer auf Profit, Leistung & Konsum orientierte gesellschaftliche & wirtschaftliche Leben, verquere kulturell- feministische Absurditäten wie das eindimensionale, eine wesensmäßige Gleichheit der Geschlechter propagierende konstruktivistische Gender-Konzept sowie der anti-deutsche Selbsthass etlicher Linksintellektueller ‘Rot-Grüner’, der die eigene Identität und Kultur verachtete und damit regelrecht zur Nicht-Integration ermunterte (-> Doppelpass), auf der anderen Seite externe Einflüsse wie Imame aus der Türkei, zu religiösen Zwecken gespendete Gelder aus dem erzkonservativen Arabien, später dann auch politisch-religiöser Fanatismus bis hin zum Terrorismus führten zu einer zunehmenden Distanz zum Gastland, geringeren beruflichen und gesellschaftlichen Perspektiven und schließlich zu dem religiös geprägten Backlash, den wir inzwischen erleben.
Güner Balci und Hans-Christian Ströbele bei Maischberger, 13.10.2010 (?) [Ersatzlink]
Man muss dabei zudem bedenken, dass jede Kultur Licht- und Schattenseiten hat. Die westliche Konsumorientierung und Sexualisierung des gesellschaftlichen Lebens, die Auflösung familiärer Bindungen und die damit insgesamt zunehmende Entfremdung der Menschen und Entpersönlichung der Beziehungen, die sich immer weiter auftuende Schere zwischen Arm & Reich und die sich vertiefende Kluft zwischen Eliten und dem gemeinen Volk und weiteres mehr stellen gravierende Probleme und Mängel des westlichen Lebensstiles und der westlich gepägten Gesellschaften dar wie das Ausblenden von oder die Verweigerung gegenüber vernünftigen Einsichten, Erkenntnissen oder Regeln eines fairen Miteinanders im Sinne von Geben und Nehmen.
Der aktuelle, völlig ungeregelte und geradezu masochistisch- fatalistisch erduldete oder sogar insgeheim beförderte Massenansturm hunderttausender, oftmals konservativ-archaisch geprägter, kulturell entwurzelter oder unter schwierigsten Bedingungen sozialisierter und nicht selten traumatisierter junger, muslimischer Männer (meist ohne ihre Schwestern, die einmal mehr daheim bleiben müssen) nach D mit Gefahren, Bedrohungen & Belastungen allerlei Art für Bios ebenso wie für MiHis führt zu einer weiteren Polarisierung. Alte Wunden brechen auf, neue werden geschlagen. Sogar gut integrierte und längst etablierte Menschen mit MiHi geraten dabei bisweilen unter Druck, Stellung zu beziehen und sich für eine der Seiten zu entscheiden, statt eine moderate Position in der Mitte beizubehalten.
Links:
Wie die Türken nach Deutschland kamen (JFB)
[Beitrag aktualisiert: 2021-10-29]
Titelbild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F038815-0012 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
Die Gründe für die Anwerbeabkommen mit der Türkei und die zuvor mit Italien, Spanien und Griechenland und später mit Portugal beruhten u.a. auf dem Wunsch dieser Länder nach Devisen. Die Deutsche Wirtschaft florierte bereits 10 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges wieder.
“Durch die Devisen, die die Gastarbeiter in ihre Heimatländer überwiesen, sollte der eigene Devisenmangel zumindest gedämpft werden. Außerdem würde dadurch die drückende negative Handelsbilanz teilweise ausgeglichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes. Zusätzlich erhofften sich die Entsendeländer, dass die Gastarbeiter in Deutschland mit modernen Produktionsmethoden vertraut würden und dieses Wissen auch in ihren Heimatländern einbringen würden.”
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität der Entsendeländer lag nicht zuletzt auch im Interesse der NATO, für die die Türkei, Griechenland und Italien Bollwerke gegen den Kommunismus darstellten.
https://www.unzensuriert.at/content/002553-T-rkische-Gastarbeiter-kamen-auf-Druck-der-USA
Darüber hinaus gibt es auch die Vermutung, dass Deutschland durch den Zuzug von Ausländern heterogenisiert und damit das ‘Risiko Deutschland’, das als aggressiv und bedrohlich empfundene ‘deutsche Wesen’ entschärft und ‘verdünnt’ werden sollte. Also gewissermaßen ein moderiertes Aufgreifen der Ideen von Hooton, Kaufman oder Morgenthau.
https://www.welt.de/print-welt/article423170/Risiko-Deutschland-Joschka-Fischer-in-Bedraengnis.html